Permafrost: Wenn das „ewige Eis“ schmilzt
Die globale Erwärmung hat auch Konsequenzen für die Permafrostregionen der Welt, also die Gebiete, wo die Erdoberfläche das ganze Jahr Minusgrade aufweist. Wenn der Frost verschwindet, bleibt eine Mischung von Wasser, Erde und Geröll zurück. In diesem Prozess werden große Mengen Treibhausgase freigesetzt, die den Klimawandel weiter beschleunigen. Es wird befürchtet, dass dies einer der „Kipppunkte“ des globalen Klimawandels sein wird, also ein Punkt, wo Prozesse in Gang gesetzt werden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
In Gebirgen wie den Alpen besteht die Gefahr von Steinschlag und Murenabgängen. Besonders gefährlich wird es, wenn sich Gletscherseen so weit füllen, dass sie die aufgeweichten Geröllbarrieren überwinden und die Orte in den Tälern überfluten. Um solche Katastrophen zu verhindern, wurde zum Beispiel Anfang des Jahrhunderts oberhalb des Ortes Pontresina unweit von St. Moritz ein 460 Meter langer und 13 Meter hoher Damm aufgeschüttet. Noch werden an einem nahe gelegenen Berghang 100.000 Tonnen Geröll vom Permafrost zusammengehalten. Wenn sich die Dauerfrostgrenze weiter in höhere Gebirgsregionen verschiebt, ist zu befürchten, dass sich eine Geröll- und Schlammlawine auf das Dorf zubewegt.
Es hat in den letzten Jahren bereits mehrere Bergstürze am Rande von Permafrostzonen gegeben. In den Medien Beachtung fand die Sperrung des Matterhorns für Bergsteiger im Juli 2003, als nach wochenlanger Hitze befürchtet wurde, dass sich große Gesteinsmassen lösen könnten, die bisher vom Permafrost gehalten werden. Einige Hundert Kubikmeter Gestein waren bereits in die Tiefe gestürzt. Niemand wurde verletzt oder getötet, aber 90 Bergsteiger mussten mit Hubschraubern ins Tal geholt werden. Wenn Klimaexperten recht behalten, dass auch in Teilen des Alpenraums mit verstärktem Starkregen zu rechnen ist, steigt in Verbindung mit höheren Temperaturen die Gefahr noch, dass Geröllmassen sich lösen.
Wie es sich auswirkt, wenn Permafrostregionen in Schlamm und Matsch versinken, lässt sich bereits in Teilen Sibiriens studieren. Selbst dort, wo neun Monate im Jahr Winter herrscht und extrem niedrige Temperaturen gemessen werden, schmilzt das Eis zunehmend in oberflächennahen Bodenschichten im Sommer. Hintergrund ist, dass nach Berechnungen des Alfred-Wegner-Instituts die Durchschnittstemperaturen in den weltweiten Permafrostregionen zwischen 2007 und 2016 um durchschnittlich 0,3 Grad Celsius gestiegen sind, in den sibirischen Permafrostregionen aber um fast ein Grad.
Geröllhalden geraten so ins Rutschen, und Häuser, die auf dem „ewigen Eis“ gebaut wurden, verlieren ihren Halt. Manche Gebäude haben Risse bekommen, einige sind bereits zusammengebrochen. Auch die Ölpipelines und Abwasserleitungen nehmen Schaden, wenn sich plötzlich der Boden unter ihnen in einen Sumpf verwandelt. Dass beim Auftauen der Eisschicht große Mengen Methangas freigesetzt werden, die wiederum zur Beschleunigung der Klimaerwärmung beitragen, zeigt die ganze Dramatik der Situation.
In einem am 7.12.2018 veröffentlichten Interview mit der „Deutschen Welle“ hat der Leipziger Geograf Mathias Ulrich die dramatischen Folgen des tauenden Permafrostes in Sibirien dargestellt: „Die indigenen Völker verlieren ihre gewohnten Lebensbedingungen. Die Natur ändert sich: die Baumgrenze, wo die Taiga in die Tundra übergeht, verschiebt sich weiter nach Norden … In den Permafrost-Böden sind riesige Mengen an Kohlenstoff gespeichert, die beim Tauen teilweise freigesetzt werden und in die Atmosphäre gelangen. Das führt zur weiteren Klimaerwärmung, die wiederum das Auftauen beschleunigt. Laut Studien könnte das in historisch kurzer Zeit zu einer gewaltigen Emission von Treibhausgasen führen.“