Lebensraum Wüste und die „Verwüstung“ von Savannen

 

In der Sahara erreicht die Temperatur bis zu 52 Grad Celsius im Schatten – und Schatten gibt es dort nicht viel. Dafür sinkt die Temperatur nachts nicht selten in die Minusgrade. Der maximale Unterschied zwischen den Temperaturen am Tag und in der Nacht beträgt 68 Grad. Pflanzen, Tiere und Menschen, die unter solchen Bedingungen überleben wollen, müssen anpassungsfähig sein. Fast unbewohnt sind die extrem trockenen Wüstengebiete, in denen die Niederschläge weniger als 25 Millimeter im Jahr betragen, zumal auf niederschlagslose Jahrzehnte ein plötzlicher wolkenbruchartiger Regenguss folgen kann. Aber selbst in diesen Gebieten überleben einige spezialisierte Pflanzenarten, die aufblühen, sobald es nach vielen Jahren wieder einmal geregnet hat. Einige Sträucher haben 600 Kilometer lange Wurzelstränge, die sich auf eine große Fläche ausdehnen, um möglichst viel Wasser aufzunehmen. Die Akazien dagegen setzen auf Grundwasser zum Überleben und strecken ihre Wurzeln 50 Meter in die Tiefe. Auch Tiere haben sich dem Wassermangel in der Wüste angepasst, allen voran die Kamele. Sie können einen Monat lang ohne zu trinken durch die heiße Wüste ziehen, aber wenn sie dann eine Oase erreicht haben, trinken sie in einer Viertelstunde bis zu 200 Liter.

 

Die Tuareg – ein Volk lebt mit der Wüste

 

Unter den Menschen sind die Tuareg das Volk, das sich am erfolgreichsten auf das Leben mit der Wüste eingestellt hat. Die Kel Ewey-Tuareg haben im Air ein Zuhause gefunden, eine Gebirgsregion im Niger, wo es etwas mehr regnet als in der umgebenden flachen Wüste, sodass hier Viehwirtschaft und Gartenbau möglich sind. Auf langen Karawanenreisen tauschten die Tuareg traditionell im Osten der Sahara Salz und Datteln ein, die sie nach einer 900 Kilometer langen Reise in Nordnigeria verkauften, um Hirse und andere Güter zu erwerben. Die Frauen und Kinder blieben im Air und leben vor allem mit den Ziegen, die wegen ihrer Milch gehalten werden. Ein wohlhabender Haushalt hat 15 bis 20 Kamele und etwa 60 Ziegen.

 

Dass die Kamele und Ziegen neben Gras auch Blätter und Zweige fressen, lässt sie in Wüsten- und Halbwüstengebieten überleben. Es bedeutet aber auch, dass für die Tiere große Flächen benötigt werden, damit sich die Pflanzen nach dem Abfressen erholen können und nicht eingehen. Auch werden so die Wasser­ressourcen geschont. Es gibt zwar keine Zäune, aber alle nutzbaren Weidegebiete am Rand der Wüste sind im Besitz von Familien, die sorgsam mit ihnen umgehen. Deshalb ist die nomadische Lebensweise den natürlichen Lebensbedingungen in der Wüste ideal angepasst.

 

Die französische Kolonialzeit brachte allerdings tief greifende Veränderungen, denn nun wurden den Tuareg die besten Weideflächen genommen. Sie mussten deshalb die verbliebenen Weideflächen häufiger nutzen, was wesentlich zur Zerstörung von Vegetation beigetragen hat. Der Bau von Brunnen im Rahmen der Entwicklungshilfe erwies sich nicht nur als Segen, denn er erlaubte die Vergrößerung der Herden, sodass die Weideflächen im weiten Umkreis der neuen Wasserquelle kahl gefressen wurden. Auch die Politik, die Nomaden sesshaft zu machen, ist sowohl unter sozialen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten fragwürdig, weil nun die Herden immer die gleichen Weideflächen rund um die neuen Dörfer nutzen und die Vegetation zerstören.

 

Nicht nur in der Sahara wird die Zahl der Menschen, die mit ihren Tieren von Oase zu Oase ziehen immer kleiner. Jahrtausende lang haben Nomaden sich den unwirtlich erscheinenden Lebensbedingungen der Wüste angepasst, Hitze, Kälte und Wasserarmut getrotzt. Die San (früher „Buschleute“ genannt) in der Kalahari-Wüste im südlichen Afrika wissen, zu welchen Zwecken etwa 200 Pflanzenarten genutzt werden können. Gute Viehhirten in der Sahara geben von Generation zu Generation weiter, wofür und wogegen 600 Pflanzenarten verwendet werden können. Auch finden sie dort Wasser, wo andere nur eine öde Wüstenlandschaft sehen. Alte Menschen genießen in solchen Gesellschaften ein hohes Ansehen, sind sie es doch, die ihr überlebenswichtiges Wissen über Pflanzen, Tiere und Wasserstellen an die nächste Generation weitergeben.

 

Die Lebens- und Wirtschaftsweise von Nomaden ist heute stark gefährdet. Dürrekatastrophen dezimieren die Herden, und Schwerlastwagen transportieren auf geteerten Straßen mit hoher Geschwindigkeit die Güter, die früher von den Nomaden auf ihren Kamelen auf wochenlangen Reisen von einem Ort zum anderen gebracht wurden. Die Globalisierung macht auch vor abgelegenen Regionen der Wüsten nicht Halt. Karwanen, die entlang von Öl- und Gaspipelines, Stromleitungen und Schnellstraßen ziehen, wirken wie aus einer anderen Welt. Und so verdingen sich Nomaden heute als Touristenführer oder stehen als Wachleute vor Banken und Industrieanlagen. Ihre Kinder lernen im Fernsehen die Welt des materiellen Überflusses kennen. Mit der nomadischen Lebensweise gehen auch viele Kulturen unter.

 

Die Wüsten dehnen sich aus

 

Mehr als ein Drittel der Landfläche der Erde (ohne die Antarktis) besteht aus Wüste, Wüstensteppe und Trockensavanne. Und diese Flächen wachsen weiter. Jedes Jahr gehen weltweit 120.000 Quadratkilometer Ackerland verloren, das entspricht einem Drittel der Fläche der Bundesrepublik Deutschland. Nach UN-Berechnungen sind gegenwärtig mehr als 250 Millionen Menschen von der Ausbreitung der Wüsten direkt betroffen. Viele Millionen Menschen, die bisher direkt südlich der Sahara leben, werden in den nächsten Jahrzehnten in die Städte an der westafrikanischen Küste, nach Nordafrika und nach Europa ziehen, weil sie in ihrer Heimat keine Über­lebensmöglichkeit mehr sehen.

 

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Zahl der Dürrejahre im Sahel ­drastisch zugenommen. „Sahel“ bedeutet im Arabischen Ufer oder Küste. Und die etwa 400 Kilometer breite Sahel-Zone bildet das südliche Ufer des riesigen Sandmeers der Sahara. Im Sahel gibt es deutlich höhere Niederschläge als in der Wüste, und so haben sich hier Bäume, Büsche und ­Gräser ausbreiten können, die Menschen und Tieren seit Jahrtausenden ein Überleben ermöglicht haben. Allerdings war eine Übernutzung der Pflanzenwelt nur dadurch zu vermeiden, dass die Gebiete dünn mit Viehzüchterfamilien besiedelt waren. Die Zahl der Rinder, Ziegen und Kamele war schon durch die kleine Zahl von Quellen und Brunnen begrenzt. Außerdem wurden die Herden von einem Weideplatz zum anderen getrieben. So schafften die Bewohner der niederschlags- und vegetationsarmen Gebiete es, ein natür­liches Gleichgewicht zu bewahren und ihre Lebensgrundlage zu erhalten.

 

Eine nicht nachhaltige Landwirtschaft zerstört Ackerland

 

Es gibt schon seit Jahrhunderten im Sahel Konflikte zwischen Viehzüchtern und Ackerbauern um das wenige fruchtbare Land und vor allem um das Wasser. Diese Auseinandersetzungen haben sich durch den Anbau von Erdnüssen und Baumwolle sehr verschärft. Dienten die Äcker früher nur zur Selbstversorgung, sind inzwischen ausgedehnte Exportkulturen angelegt worden. Motorpumpen ermöglichen es, große Mengen Wasser aus Flüssen oder Brunnen für diese ausgedehnte Bewässerungslandwirtschaft zu nutzen. Angesichts der Knappheit an Ackerland in den semi-ariden Regionen verzichten viele Bauernfamilien inzwischen auf Jahre der Brache für ihre Felder. Sie vertrauen auf Kunstdünger und Pestizide, um eine hohe Ernte zu erzielen. Aber nach einigen Jahren sinken die Erträge, und die Felder müssen schließlich ganz aufgegeben werden. Der Wind weht die übrig gebliebene dünne Ackerkrume rasch davon, und die Büsche und Bäume werden abgehackt, um Feuerholz zu gewinnen. Die Verbindung von Tiefbrunnen und einer Zerstörung der Vegetation fördert ein rapides Absinken des Grundwasserspiegels.

 

Wenn es im Sahel einmal regnet, dann ist es oft ein Sturzregen, bei dem innerhalb von Minuten 50 Liter Wasser pro Quadratmeter niedergehen. Bäume und andere Pflanzen können einen großen Teil des Wassers binden und tragen dazu bei, dass es in oberflächennahen Bodenschichten bleibt oder ins Grundwasser gelangt. Auf kahlen Flächen fließt das Wasser dagegen ungenutzt ab, reißt nährstoffreiche Erde mit sich und führt andernorts zu Überschwemmungskatastrophen.

 

Je vegetationsärmer und trockener die Sahel-Gebiete werden und je ­stärker die Bevölkerung zunimmt, desto gefährdeter ist die verbliebene Vegetation. Besonders in der Umgebung von Dörfern und Brunnen nimmt sie rapide ab, und die Wüste dringt vor. Das hat auch enorme wirtschaft­liche Konsequenzen. Allein in Uganda wird der Schaden auf 400 Millionen US-Dollar im Jahr geschätzt. Ist diese „Verwüstung“ (Desertifikation) erst einmal vorangeschritten, ist der Weg zurück sehr schwer. Im Grunde ist die Situation noch schwieriger als in der Wüste selbst. Denn während die Wüste aufblüht, wenn es einmal kräftig regnet, fehlen in den verwüsteten Gebieten Pflanzen, die sich an die unregelmäßigen, gelegentlichen Niederschläge angepasst haben.

 

Die Sahara ist nicht die einzige Wüste, die sich rasch ausdehnt. Auch die USA und Mexiko sind von einer zunehmenden „Verwüstung“ betroffen und selbst in einem Drittel Spaniens droht eine Wüstenbildung. Fast schon vergessen sind die Zeiten, als rund um das Mittelmeer große Eichenwälder die Landschaft prägten. In China wachsen die Wüsten inzwischen um 3.400 Quadratkilometer im Jahr, in den 1970er Jahren waren es erst jährlich 1.500 Quadratkilometer gewesen. Sandstürme und Dünenwanderungen beschleunigen den schwer aufzuhaltenden Vormarsch der Wüsten. Etwa 24.000 chinesische Dörfer sind durch die Ausbreitung der Wüsten bedroht.

 

Während die Weltbevölkerung weiter steigt, nimmt die landwirtschaftliche Nutzfläche als Folge der Ausbreitung der Wüsten rapide ab. UN-Experten befürchten, dass Afrika im Jahre 2025 mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen verloren haben wird. Jedes Jahr werden 25 Milliarden Tonnen wertvoller Bodenkrume vom Winde verweht. Die Situation ist also dramatisch.

 

Verfehlte Formen der Wüstennutzung

 

Als ein Irrweg hat sich in Ländern wie Libyen der Versuch erwiesen, mit Hilfe von fossilem Wasser die Wüste in eine grüne Landschaft zu verwandeln. Das Wasser wird aus großer Tiefe unter hohem Kostenaufwand an die Oberfläche gepumpt und großzügig verteilt, um Weizen, Gemüse und Obstbäume wachsen zu lassen. So schön die kreisrunden grünen Flächen mitten in der Wüste aussehen mögen, ökologisch sind sie eine Katastrophe. Der Wasserverbrauch pro Tonne Weizen ist astronomisch hoch, weil viel Wasser verdunstet, anderes im Boden versickert oder abfließt und nur der kleins­te Teil die Pflanzen erreicht. Der Preis pro Tonne Weizen soll zehnmal so hoch sein wie in anderen Ländern. Außerdem sind die Wasservorkommen unter der Sahara vor bis zu einer Million Jahren unter ganz anderen klimatischen Bedingungen entstanden. Bei den heutigen minimalen Niederschlägen erneuern sie sich nicht. Wenn die Vorräte aufgebraucht sind, gibt es kein Wasser mehr für Pflanzen, Tiere und Menschen. Vor einigen Jahren hat die damalige libysche Regierung erkannt, welch ein Irrweg diese Wasserverschwendung ist, aber wie stark der Grundwasserspiegel unter den künstlichen Oasen gefallen ist, wird als Staatsgeheimnis behandelt.

 

Inzwischen ist auch das ökologische Gleichgewicht der Wüsten selbst durch eine „Toyotorisierung“ bedroht. Wüstengebiete wie die Sahara sind nämlich mit einer dünnen Schicht aus Kiesel, Algen und Flechten bedeckt. Da aber immer mehr Geländewagen kreuz und quer durch die Sahara fahren, werden diese Oberflächenstrukturen zerbrochen. Deshalb führt der Geologe Andrew Goudie, Professor an der Universität Oxford, einen Kampf gegen dieses Zerstörungswerk durch Vierradfahrzeuge wie den „Toyota Landcruiser“. Andrew Goudie schrieb 2004 in der Zeitschrift „Science“ zu diesem Problem: „Die Oberflächen der Wüsten sind seit Jahrtausenden stabil geblieben. Doch wenn sie zerbrochen werden, wird der Sand vom Wind davongeweht.“ Auf diese Weise werden die Sandstürme verstärkt – und das wirkt sich auch auf die Klima- und Wassersituation in weit entfernten Regionen der Welt aus. Ein Teil des Sandes wird nämlich vom Wind bis zum weit entfernten Grönland getragen und setzt sich dort auf den Eisflächen ab. Der Staub absorbiert mehr Sonnenwärme als das Eis und gibt diese Wärme an das Eis ab. So trägt der Staub aus der Sahara zu einem noch schnelleren Abschmelzen der Gletscher bei.

 

Das Vordringen der Wüste kann gestoppt werden

 

Ein „Schicksal“ ist die Ausbreitung der Wüsten nicht. Es gibt vielerorts erfolgreiche Wiederaufforstungsprojekte, es gibt einfache Methoden, um die Dünenwanderungen etwa durch Hecken vor Oasen und Dörfern zu stoppen, und es gibt vor allem fundierte Erkenntnisse, wie in den semi-ariden Gebieten Landwirtschaft so betrieben werden kann, dass die Felder und Weiden langfristig genutzt werden können. Es hat es sich zum Beispiel erwiesen, dass schon das Anlegen von 50 Zentimeter hohen Erdwällen rund um die Feldparzellen ausreicht, um bei heftigen Niederschlägen ein Abfließen großer­ Wassermengen samt Ackerkrume zu verhindern.

 

Zu einer nachhaltigen Nutzung der gefährdeten Wüstenrandgebiete gehört ein sparsamer Umgang mit den begrenzten Wasserressourcen, vor allem durch wassersparende Bewässerungstechniken. Das wichtigste Instrument im Kampf gegen die Wüste sind aber Schritte zur Überwindung der Armut der Bevölkerung. Denn diese Armut zwingt zur Übernutzung des Bodens, der Bäume und der Wasserressourcen. Der Vormarsch der Wüste ist also zu stoppen, auch wenn dies durch die globalen Klimaveränderungen noch schwieriger wird.

 

Ein positives Beispiel wurde in der Ausgabe 1/2001 der Zeitschrift „Eine Welt“ unter dem Titel „Die Wüste erblüht“ von Heinz Berger beschrieben: „Vor vier Jahren noch zog Hassan mit seinen Ziegen durch die Afar-Halbwüste auf der Suche nach Weide und Trinkwasser. Heute bestellt der schmächtige Neu-Bauer wie viele andere Hirtenfamilien in der gleichen Gegend einen eigenen kleinen Gemüsegarten … Diese Veränderungen wurden durch ein Entwicklungsprogramm des Lutherischen Weltbundes möglich, der dabei eng mit der heute 2,4 Millionen Mitglieder zählenden Äthiopischen Evangelischen ­Kirche Mekane Yesus zusammenarbeitet … Angesichts der erheblichen Bodenerosion liegt der Schwerpunkt des Programms auf Bodenschutzmaßnahmen, Wiederherstellung der Landwirtschaft und kleinen Bewässerungsprojekten … Vor allem in ökologisch besonders geschädigten Regionen beteiligen sich zuweilen bis zu 3.000 Männer und Frauen für mehrere Monate an Terrassierung, Aufforstung, dem Bau von Wegen, kleinen Dämmen oder Trinkwasser­versorgungen. Dabei wurden rund 30.000 Hektar für die landwirtschaftliche Bewässerung durch Kleinbauern gewonnen … Viele Bäuerinnen und Bauern haben gelernt, Mais, Sorghum, Süßkartoffeln, Pfeffer, Zwiebeln, Möhren, Kohl, aber auch Bananen, Papaya und Zitrusfrüchte anzubauen und Geflügel zu halten.“

 

© Frank Kürschner-Pelkmann