Transparenz und öffentliche Debatte zu GATS

 

Wie in anderen Globalisierungsfragen kann es auch im Blick auf die Liberalisierung des weltweiten Dienstleistungsbereichs nicht darum gehen, am „grünen Tisch“ ein Konzept zu finden, das die Interessen der Armen und der anderen „Verlierer“ des Globalisierungsprozesses ernst nimmt. Notwendig ist vielmehr eine breite öffentliche Diskussion darüber, wie Dienstleistungen so angeboten werden können, dass sie gerade denen zugutekommen, die über keine nennenswerte Kaufkraft verfügen. Die Annahme, der Markt sei das beste Instrument zur Lösung aller Probleme, wird sich in einer solchen Debatte rasch als Illusion erweisen.

 

Eine Grundvoraussetzung für eine solche Debatte ist, dass die GATS-Verhandlungen endlich transparent und öffentlich gestaltet werden. Die WTO versucht, den Eindruck zu erwecken, der GATS-Prozess werde bereits transparent durchgeführt. So wird darauf verwiesen, dass in vielen Ländern über die GATS-Verpflichtungen im Parlament entschieden wird und alle eingegangenen nationalen Verpflichtungen im Internet zugänglich sind.

 

Nicht erwähnt wird, dass viele Verhandlungen, die die Entscheidungen vorbereiten, streng vertraulich geführt werden. Das erwähnte Beispiel der EU-Beratungen ist hierfür typisch. Auch in den Ländern des Südens ist das Wissen der Öffentlichkeit darüber, was die Regierung an Dienstleistungsliberalisierungen anbietet, minimal, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo alles entschieden ist.

 

Danach nützt Transparenz nicht mehr viel. Die Vertraulichkeit wird nicht nur aus verhandlungstaktischen Gründen gewählt und sie ist auch nicht nur Ausdruck des Bestrebens autoritärer Regime und mächtiger Bürokratien, alle Verhandlungen ohne öffentliche „Einmischungen“ durchzuführen. Dahinter steht auch das Wissen, dass es heftige öffentliche Debatten geben würde, wenn die Bevölkerung und die als Beschäftigte direkt Betroffenen rechtzeitig wüssten, welche Liberalisierungspläne es gibt, die zum Beispiel auf den öffentlichen Sektor große Auswirkungen haben. Solche Debatten wünschen die politisch Mächtigen nicht und beziehen allenfalls jene Wirtschaftskreise in die vertraulichen Beratungen ein, von denen sie annehmen können, dass sie den grundlegenden Kurs der Liberalisierung mittragen.

 

Die fehlende Transparenz ist also kein Zufall, sondern eine Grundvoraussetzung dafür, dass die GATS-Verhandlungen so stattfinden können wie bisher, also ohne eine frühzeitige öffentliche Debatte über Liberalisierungsangebote, die von den Regierungen gemacht werden und dann kaum noch zurückzunehmen sind. Das macht verständlich, warum es einen so hartnäckigen Widerstand dagegen gibt, den GATS-Prozess öffentlich zu machen und warum die Wut derer so groß ist, die sich hinters Licht geführt sehen und nun vor vollendeten Tatsachen stehen.

 

Mehr Transparenz und mehr Mitwirkung der Betroffenen verändern also nicht nur Prozeduren, sondern würden dem GATS-Prozess eine neue Richtung geben. Anders als heute würden nicht nur die Argumente der Wirtschaftsverbände und der Regierungsbürokratien in den Prozess einfließen, sondern auch diejenigen der Gewerkschaften, der sozialen Bewegungen, der Kirchen und vieler anderer Gruppen. Dass deren Vorstellungen andere sind als die der multinationalen Unternehmen zeigt sich auf weltweiter Ebene regelmäßig bei den Weltsozialgipfeln wie in Porto Alegre, aber zum Beispiel auch bei ökumenischen Versammlungen. Es sind spannende Verhandlungen zu GATS zu erwarten, wenn sie nicht mehr unter Ausschluss der meisten direkt Betroffenen stattfinden. Die Forderungen nach Transparenz und Partizipation sind deshalb wichtige Elemente auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung.

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

 

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

 

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann