Replik auf eine Rezension von Ulfrid Kleinert

 

In der Ausgabe 6/2016 der Zeitschrift „Zeitzeichen“ hat Ulfrid Kleinert mein Buch „Babylon – Mythos und Wirklichkeit“ rezensiert. Nun muss sich jeder Buchautor darauf einstellen, dass sein Werk insgesamt betrachtet negativ bewertet wird. Schwieriger ist es, wenn eine Rezension dazu genutzt wird, den Autoren ehrabscheidend anzugreifen. Genau so nehme ich wahr, dass Ulfrid Kleinert mich in der Besprechung als „christlich gebildeten Journalisten“ bezeichnet. Ist das jemand, der zwischen Apsis und Agape unterscheiden kann? Dass meine mehr als vier Jahrzehnte andauernde Tätigkeit als Autor diverser Bücher, Studien sowie mehreren Hundert Zeitschriftenbeiträge und Zeitungsartikeln zu kirchlichen und auch theologischen Themen mit der Bezeichnung „christlich gebildeter Journalist“ angemessen beschrieben wird, bezweifele ich stark.

 

Meinem Veröffentlichungsverzeichnis (das sich auf meiner früheren und jetzigen Website befand bzw. befindet) ist außerdem zu entnehmen, dass ich außerdem etwa 1.000 Veröffentlichungen zu einem breiten Spektrum von Themen außerhalb des kirchlichen Themenspektrums vorzuweisen habe. Ein Stadtführer über das jüdische Leben in Hamburg, zahlreiche Beiträge zur internationalen Klimapolitik, eine große Zahl von Veröffentlichungen zu internationalen Wasserproblemen sowie zu politischen und sozialen Konflikten im südlichen Afrika seien hier beispielhaft erwähnt. Wenn ein Rezensent also meint, mich vorstellen zu sollen, dann bitte nicht auf die Weise, wie dies in dieser Rezension geschah.

 

Die Sache wird dadurch noch ärgerlicher, dass Ulfrid Kleinert sich selbst als „der Wissenschaftler“ in die Rezension einführt, dem etwas im Buch fehlt. Es wird also der „christlich gebildete Journalist“ dem „Wissenschaftler“ gegenübergestellt. Soll ich jetzt meine wissenschaftlichen Studien und Beiträge in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften aufführen und jeweils anmerken, welche der Veröffentlichungen auch auf Englisch erschienen sind? Verschiedene meiner weiteren Veröffentlichungen gehören dem – besonders im angelsächsischen Raum – weit verbreiteten Genre der populärwissenschaftlichen Werke an. Das sind, etwas vereinfacht gesagt, Publikationen, die auf einer gründlichen wissenschaftlichen Studienarbeit beruhen und deren Autorin/Autor die Erkenntnisse und Einsichten in einer gut verständlicher („populärer“) Form präsentiert. Zu dieser Kategorie gehört auch mein Babylon-Buch.

 

Lange habe ich mich gefragt, ob ich auf diese Rezension wirklich eingehen soll, und wer diese Replik liest, wird verstehen, warum das so ist. Da die Besprechung aber weiterhin für die Abonnentinnen und Abonnenten der „Zeitzeichen“ zugänglich ist, will ich dies nun doch tun.

 

Der Rezensent schreibt, es handele sich um ein „schlicht Babylon genanntes Buch“, das den Untertitel „Mythos und Wirklichkeit“ habe. Dies ist unzutreffend. Das Buch hat den Titel „Babylon – Mythos und Wirklichkeit“, einen Untertitel hat es nicht. Außer dem Rezensenten ist meines Wissens auch niemand, der den Titel aufgeführt hat, auf den Gedanken gekommen, „Mythos und Wirklichkeit“ sei ein Untertitel.

 

Ulfrid Kleinert schreibt, ich hätte mir mit dem Babylon-Buch vorgenommen, über „ihre Geschichte und Geschichten zu erzählen“. Das ist mir als Autor gänzlich neu. Weder hatte ich beim Schreiben des Buches diese Intention, noch ist eine solche Intention dem Text auf der Rückseite des Buches oder der Einleitung zu entnehmen. Wer herausfinden möchte, warum ich dieses Buch geschrieben habe, möge die Einleitung lesen, die wie die anderen Abschnitte des Buches online auf dieser Website zu finden sind.

 

Als Defizit meldet der Rezensent an, ich hätte die Begriffe Mythos und Wirklichkeit nicht geklärt. Ich gehe davon aus, dass Leserinnen und Leser diese Begriffe kennen und keiner Erklärung durch mich bedürfen. Das kann man offenbar unterschiedlich sehen.

 

Der Rezensent erwähnt zu Recht, dass ich mehrfach auf den Bestseller „Und die Bibel hat doch recht“ von Werner Keller verweise, ebenso auf fundamentalistische christliche Stimmen zu Babylon. Was aber in der Besprechung unerwähnt bliebt ist, dass ich auch andere Theologinnen und Theologen zitiere, die nicht zum fundamentalistischen Spektrum gehören, aber trotzdem Babylon und besonders seinen Herrscher Nebukadnezar in Predigten und Andachten ohne jegliche Berücksichtigung dessen darstellen, was die Wissenschaft inzwischen gesichert über sie herausgefunden hat. Warum das problematisch ist, möge man dem Buch entnehmen.

 

Es ist unzutreffend, dass man im Buch „mannigfache Hinweise“ auf Werke der Kunst findet. Tatsächlich sind in dem Buch an diversen Stellen längere Textabschnitte über solche Werke zu finden und nicht lediglich Hinweise. Der Unterschied sollte einem Rezensenten bekannt sein.

 

Dass Ulfrid Kleinert im Buch keinen Spannungsbogen gefunden hat, bedaure ich natürlich. Die Leserinnen und Leser dieser Replik mögen sich dazu bei der Lektüre der Online-Version oder der gedruckten Fassung des Buches ein eigenes Urteil bilden. Der Rezensent bezeichnet als „roten Faden“ des Buches die „Ablehnung der Schwarz-Weiß-Malerei mancher Geschichten und Plädoyer für die Vielfalt und den Reichtum der Weltstadt und ihrer Kultur“. Seine Bewertung, dieser rote Faden sei „etwas eintönig“, kann ich gelassen hinnehmen. Der rote Faden des Buches ist nämlich ein anderer. Ich habe mich bemüht darzustellen, wie aus einem Dorf die Hauptstadt eines großen Reiches wurde, wie der Mythos der Stadt entstand und sich auswirkte, wie diese Stadt über mehrere Jahrhunderte einen allmählichen Niedergang erlebte und worin all dies begründet war. Ich habe verknüpft damit im Detail dargestellt, wie die aus Juda nach Babylon Verschleppten diese reiche Stadt wahrnahmen und wie das Leben in der multireligiösen und multikulturellen Stadt ihren Glauben und ihre religiösen Schriften beeinflusst hat. Spannend auch, wie Babylon wiederentdeckt wurde und wie die biblische Darstellung der Stadt und ihr Mythos die Fantasie vieler Künstler und Schriftsteller angeregt hat, von Pieter Bruegel bis zum DDR-Schriftsteller Johannes R. Becher, der in ein Turm-Gedicht seine Kritik am Stalinismus hineingeschmuggelt hat. Ob all das eintönig ist, möge die Leserschaft beurteilen.

 

Für die Erarbeitung des Buches habe ich eine große Zahl von Büchern, Buchaufsätzen, Zeitschriftenbeiträgen und anderen Quellen über Babylon genutzt. Es waren mit Sicherheit weit mehr als 200 Quellen. Ich habe viele Tage lang die verstreute Babylon-Literatur gesichtet und daraufhin geprüft, welche Bücher und Aufsätze für mein Buch relevant und nützlich sein könnten. Diese Beiträge habe ich dann systematisch durchgearbeitet, mit anderen Arbeiten verglichen und dann beim eigenständigen Verfassen des Buches berücksichtigt. Eine enorm aufwendige Arbeit. Trotzdem musste ich den nachfolgenden Satz in der Rezension lesen: „Vor allem aber bleibt der Leser bis zum Schluss abhängig von dem, was der Autor meint und was ihm – manchmal erkennbar zufällig – zum jeweiligen Thema begegnet ist.“ Ich bezweifle, dass der Rezensent auch nur einen annähernd ähnlichen Wissensstand zur Babylon-Literatur hat wie ich, was ihn aber nicht hindert, die oben genannten äußerst abwertenden Vorwürfe zu machen. Da Ulfrid Kleinert sich damit selbst disqualifiziert, erübrigt es sich, weiter auf diese Vorwürfe einzugehen.

 

Beim Thema Babylon wäre es sicher sehr hilfreich gewesen, mehr Originalquellen selbst nutzen zu können, vor allem Keilschrifttexte. Nur benötigt man etwa ein Jahrzehnt, um die Keilschrift so gut zu beherrschen, dass man Text und Kontext verstehen und analysieren kann. Deshalb ist es vielleicht verständlich, dass ich mich auf die Erkenntnisse von Wissenschaftlern verlassen habe, die sich Jahrzehnte lang mit Kleischrifttexten beschäftigt haben und dafür viel Anerkennung gefunden haben.

 

Wenn der Rezensent mir unterstellt, es „dominiert die journalistische Wiedergabe von Sekundärliteratur“, wird dies meiner Leistung als Autor in keiner Weise gerecht. Wie jeder andere Autor eines Babylon-Buches, der keine archäologischen Grabungen durchführt oder eine große Zahl von Keilschrifttafeln selbst auswertet, war ich auf Sekundärliteratur angewiesen. Mir zu unterstellen, ich würde vor allem Sekundärliteratur journalistisch „wiedergeben“, ist wie dargestellt absolut falsch und ehrabscheidend. Glücklicherweise kann sich jede Leserin und jeder Leser dieser Replik bei der Lektüre der Online-Version des Buches selbst überprüfen, ob Ulfrid Kleinert in seiner Kritik nur ein Zerrbild des tatsächlichen Buches präsentiert.

 

Nach der Behauptung, es dominiere die journalistische Wiedergabe von Sekundärliteratur, kommt Ulfrid Kleinert noch einmal auf das zurück, was ich mir angeblich mit dem Buch vorgenommen habe. Er schreibt: „Das kommt dem entgegen, der einen gut lesbaren Überblick über die ereignisreiche Geschichte und die vielen Geschichten von Babylon gewinnen will.“ Meine fundierten Analysen und Bewertungen vor allem der komplexen Beziehungen zwischen Mythos und Wirklichkeit sowie Wirklichkeit und Darstellung Babylons in biblischen Texten wird hier auf den Nullpunkt reduziert. Das zu kommentieren, dafür fehlen mir die Worte, jedenfalls Worte, die nicht sehr drastisch wären.  

 

In der Rezension finden sich auch positive Bemerkungen über das Buch, etwa, dass es gut lesbar und facettenreich sei, aber was nützt einem ein gut lesbares Buch, wen es inhaltlich so schlecht ist, wie es in der Rezension erscheint?

 

Was bleibt am Ende dieser Replik? Vielleicht die Einsicht, dass man sich vor Angriffen dieser Art nie sicher sein kann und hoffen muss, dass sich möglichst wenige Leser einer solchen Rezension von der Lektüre eines Buches abhalten lassen. Auch sollte man gut überlegen, ob man solche Angriffe längere Zeit unbeantwortet lässt. Am Ende bleibt die Befürchtung, dass der Satz, dass von dem Schmutz, mit dem man beworfen wird - und genau so nehme ich diese Rezension wahr -, immer etwas haften bleibt, zutreffend sein könnte. Hoffentlich ist das nicht die Behauptung, ich sei ein „christlich gebildeter Journalist“.   

 

© Frank Kürschner-Pelkmann