Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, ISBN 978-3-384-05017-5, 1016 Seiten, 38 Euro

1768 – Carl Philipp Emanuel Bach wird Musikdirektor in Hamburg

Hatte er Glück im Leben? Die Antwort kann nur ja lauten, jedenfalls bis zu den Belastungen des Alters. Er hatte von seinem Vater Johann Sebastian Bach eine große musikalische Begabung geerbt, hatte fünf Jahrzehnte lang gut bezahlte Stellen als Musiker und dazu ein harmonisches Familienleben, einen großen Freundeskreis und wurde nicht zuletzt wegen seines Humors geschätzt. Unter den vier musikalisch begabten Bach-Söhnen, die alle komponierten, war er der bekannteste, zu Lebzeiten bekannter noch als sein Vater. Joseph Haydn äußerte: „Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.“ Und Mozart soll über ihn geäußert haben: „Er ist der Vater, wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hat von ihm gelernt.“

Die Förderung des Sohns in der bach-Familie

Geboren wurde Carl Philipp Emanuel Bach am 8. März 1714. Sein Vater Johann Sebastian war zu dieser Zeit Konzertmeister des Herzogs von Sachsen-Weimar. Seine Mutter Maria Barbara war eine entfernte Cousine des Vaters. Drei Jahre später wechselte Johann Sebastian Bach an die Residenz des Herzogs von Anhalt-Köthen. Die Familie fühlte sich wohl in Köthen, führte ein behagliches Leben. Aber 1720 starb die Mutter, und die Bach-Kinder wurden zunächst von einer Tante versorgt. Der Witwer wollte ohne seine Frau nicht in Köthen bleiben, und so bewarb er sich darum, Organist an der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi zu werden. Aber nach einem Besuch in Hamburg zog er die Bewerbung zurück, weil man von dem erfolgreichen Bewerber erwartete, ein beträchtliches „Dankesgeld“ zu zahlen und vom neuen Organisten auch noch, zusätzlich als Kirchenschreiber zu arbeiten.

Johann Sebastian Bach blieb zunächst in Köthen, wo er im Dezember 1721 Anna Magdalena Wilcke heiratete. Im folgenden Jahr packte die Familie erneut die Kisten und zog nach Leipzig um, wo der Vater zum Kantor der Thomasschule berufen worden war. Diese Schule besuchte auch Carl Philipp Emanuel und genoss hier den Musikunterricht des Vaters. Außerdem ließ der Vater seinen Söhnen zu Hause eine musikalische Ausbildung zukommen. Der Sohn Carl Philipp Emanuel bekannte später: „In der Komposition und im Clavierspielen habe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt, als meinen Vater.“ An der Hausmusik bei den Bachs beteiligten sich auch die Mutter und die Töchter.

Am Hof von Friedrich dem Großen

Mit 17 Jahren begann Carl Philipp Emanuel 1731 ein Jurastudium in Leipzig, hatte aber das Ziel, wie sein Vater Musiker zu werden. Der Wechsel an die Universität in Frankfurt an der Oder bot ihm die Gelegenheit, sich auf die Musik zu konzentrieren und nur noch nebenher Jura zu studieren. So erteilte er Klavierunterricht und komponierte Musik für feierliche Anlässe in der Stadt. Nach vier Jahren beendete er das Jurastudium und wurde Cembalist in der Hofkapelle des preußischen Kronprinzen Friedrich, dem späteren König Friedrich der Große. Bach blieb drei Jahrzehnte in Berlin und hatte dort genügend Zeit für eigene Kompositionen. 1744 heiratete er Johanna Maria Dannemann. Sie besaß zwar kein musikalisches Talent, aber war eine warmherzige Ehefrau und gute Gastgeberin. Die Bachs hatten zwei Söhne und eine Tochter.

Bach wird Musikdirektor in Hamburg

Georg Philipp Telemann war der Patenonkel von Carl Philipp Emanuel Bach – und sein Vorgänger als Hamburger Musikdirektor der Hauptkirchen und Kantor der Gelehrtenschule Johanneum. Nach dem Tod Telemanns im Juni 1767 wurde die Stelle ausgeschrieben, und die Entscheidung fiel auf Bach. Er nahm seine Tätigkeit im April 1768 auf und war nun befreit von der Abhängigkeit von einem König und seinem Hof. Bach schätzte es sehr, in eine reiche Stadt zu kommen, die ein vielfältiges kulturelles Leben besaß. Hier lebten zum Beispiel Lessing, Klopstock und Claudius.

Wie sein Vorgänger Telemann hatte auch Bach als Musikdirektor ein großes Arbeitspensum zu bewältigen. Anders als in Berlin bildete in Hamburg die Kirchenmusik einen Schwerpunkt seiner Tätigkeit. Er war für das musikalische Angebot in allen Hauptkirchen verantwortlich und musste besonders zu den kirchlichen Feiertagen eine große Zahl von neuen Kompositionen fertigstellen. Und wie sein Vorgänger besserte er sein Einkommen mit öffentlichen Konzerten auf, wobei eine größere Zahl eigener Musikstücke zur Aufführung gelangte. Als sehr einträglich erwiesen sich die Druckausgaben seiner Werke, die man auch im Ausland sehr schätzte.

Über das private Leben Bachs in Hamburg schreibt seine Biografin Dorothea Schröder: „Die Einkünfte aus dem städtischen Amt, dem Notendrucken und den Konzerten erlaubten es Bach, seinen bürgerlich-komfortablen Berliner Lebensstil nun dem Niveau des wohlhabenden Hamburger Mittelstands anzupassen, und diesen Wohlstand wusste er, wie viele Dokumente belegen, in seiner eng bemessen freien Zeit auch zu genießen.“ Die Bachs hatten bald einen großen Freundeskreis, zu dem Lessing, Büsch, Voß und Klopstock gehörten. Bach zählte zum Kreis der Hamburger Intellektuellen, die die Ideen der Aufklärung vertraten. Auch als humorvoller Gastgeber wurde der Musikdirektor sehr geschätzt.

Darüber vernachlässigte Bach das Komponieren nicht. In Hamburg entstanden unter anderem vier Sinfonien und eine große Zahl von Klavierwerken und Liedern. Sein kompositorisches Werk bildet einen Übergang von strengen Formen der Barockmusik zur persönlichen Empfindsamkeit der Klassik und Romantik. Mehr als 800 Kompositionen Bachs sind bekannt, weniger als von Telemann, aber doch eine große Lebensleistung.

Zu erwähnen ist auch, dass Bach einige musiktheoretischer Werke veröffentlichte, von denen das 1753 erschienene zweibändige Standardwerk „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“ eine besonders positive Aufnahme fand. Bach blieb ein bescheidener Mensch und schrieb 1773, es sei „mit Beyhülfe meiner mir von Gott verliehenen natürlichen Fähigkeit, die Verschiedenheit in meinen Arbeiten entstanden, welche man an mir bemerkt haben will“.

Die Belastungen des Alters

Mit zunehmendem Alter wurde das Leben für Bach mühsamer und belastender. Ihm machte die Gicht in den Händen zu schaffen, sodass er nur noch selten an der Orgel zu hören war, weil die Tasten einen kräftigen Druck der Finger erforderten. Demgegenüber fiel es ihm leichter, Cembalo und Klavier zu spielen. Gravierender auf seine Stimmung wirkte sich aus, dass sein jüngster Sohn Hans, den er immer besonders geliebt hatte, im September 1778 an den Folgen einer Tuberkulose-Erkrankung in Italien starb.

Der Vater litt von nun an häufiger unter depressiven Phasen. In den 1780er Jahren war nicht mehr zu übersehen, dass er neben der Gicht auch durch Atemwegserkrankungen geschwächt wurde. Er nahm aber seine Aufgaben als Musikdirektor weiterhin wahr und komponierte auch noch. Seine Kammermusik aus dieser Zeit wird heute immer noch geschätzt. Seine öffentlichen Konzerte gab er allerdings auf.

Carl Philipp Emanuel Bach, der „Hamburger Bach“, starb am 14. Dezember 1788. Er wurde im Gruftgewölbe der St. Michaeliskirche beigesetzt, wo seine Grabplatte erhalten geblieben ist. Der „Hamburgische Correspondent“ lobte ihn in einem Nachruf: „Seine Kompositionen sind Meisterstücke und werden vortrefflich bleiben, wenn der Wust von modernem Klingklang längst vergessen sein wird. Die Tonkunst verliert an ihm eine ihrer größten Zierden … Im Umgange war er ein aufgeweckter munterer Mann voll Witz und Laune, heiter und fröhlich in der Gesellschaft seiner Freunde …“

Seine Witwe erhielt eine Rente von der Stadt und übernahm dafür die Aufgabe, in der Interimszeit bis zur Berufung eines neuen Musikdirektors die musikalischen Angebote in den Hauptkirchen zu koordinieren. Vor allem aber sichtete sie mit Umsicht die großen Notenbestände ihres Mannes, zu denen neben dessen eigenen Werken auch zahlreiche musikalische Manuskripte des Vaters Johann Sebastian Bach gehörten. Erst durch die systematische Sammlung des Notenmaterials des Vaters durch Carl Philipp Emanuel Bach und den sorgfältigen Umgang mit dem Erbe durch seine Witwe sind viele Werke von Johann Sebastian Bach erhalten geblieben. Leider sind ihre Tagebücher und viele ihrer Briefe verloren gegangen, sodass vieles aus ihrem Leben heute unbekannt ist. Johanna Maria Bach starb am 20. Juli 1795, also etwa sieben Jahre nach ihrem Mann.

 

In der Peterstraße lädt das Carl Philipp Emanuel Bach Museum im KomponistenQuartier zum Besuch ein. An dessen Vater erinnert die Bachstraße in Uhlenhorst, allerdings nur aufgrund eines Versehens. Die Bachstraße war ursprünglich nach einem örtlichen Gewässer benannt worden. Aber da das in Vergessenheit geriet, nahm man an, dass diese und auch die nahegelegene Wagnerstraße die Namen von Komponisten trugen. Tatsächlich war Wagner ein Grundeigentümer. Danach gab man in der Gegend etlichen Straßen die Namen von Komponisten. Um den Fehler zu vertuschen, wurde die Bachstraße 1860 nach Johann Sebastian Bach benannt. Sein Sohn Carl Philipp Emanuel ging bis heute leer aus. 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann