Joachim Ringelnatz - ein Hamburger Original

 

Daß ich so oft Dich kränkte

Und daß ich Dir heute nichts schenke

Mein lieber Papa, verzeih.

Mögst Du, Gott wolle es geben,

Gesund und glücklich verleben,

Den nächsten zwanzigsten Mai!

Ich komme und gehe wieder,

Ich, der Matrose Ringelnatz.

Die Wellen des Meeres auf und nieder

Tragen mich und meine Lieder

Von Hafenplatz zu Hafenplatz.

Ihr kennt meine lange Nase,

Mein vom Sturm zerknittertes Gesicht

Daß ich so gerne spaße,

Versteht ihr das?

Oder nicht?

Ein ganz kleines Reh stand am ganz kleinen Baum
still und verklärt wie im Traum.
Das war des Nachts elf Uhr zwei.
Und dann kam ich um vier
Morgens wieder vorbei.
Und da träumte noch immer das Tier.
Nun schlich ich mich leise - ich atmete kaum -
gegen den Wind an den Baum,
und gab dem Reh einen ganz kleinen Stips.
Und da war es aus Gips.

Was du verschweigst,

Was du den andern nicht zeigst,

Was dein Mund spricht

Und deine Hand tut,

Es kommt alles ans Licht.

Sei ohnedies gut.

Wir haben keinen günstigen Wind.

Indem wir die Richtung verlieren,

Wissen wir doch, wo wir sind.

Aber wir frieren.

Wenn ich tot bin, darfst du garnicht trauern,

Meine Liebe wird mich überdauern

Und in fremden Kleidern dir begegnen

Und dich segnen.

In Hamburg lebten zwei Ameisen,

die wollten nach Australien reisen.

Bei Altona auf der Chaussee,

da taten ihnen die Beine weh,

und da verzichteten sie weise

 

dann auf den letzten Teil der Reise. 

 

Aus:

Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise in die Welt der Hamburger Originale

ISBN 978-3-98885-248-9

336 Seiten, 15,95 Euro

  

© Frank Kürschner-Pelkmann