FRIEDHOF NIENSTEDTEN AN DER ELBCHAUSSEE

 

Das Kirchspiel Nienstedten reichte zunächst von Groß und Klein Flottbek bis Blankenese. Sogar ein Teil von Finkenwerder gehörte bis Anfang des 17. Jahrhunderts dazu. Erst im 20. Jahrhundert sind mit rasch wachsender Bevölkerung in Blankenese und anderen Elbvororten eigenständige Kirchengemeinden entstanden. Lange Zeit befand sich der Friedhof oder Kirchhof, wie man damals sagte, neben der Nienstedtener Dorfkirche.

 

Erst 1814 verlegte die Gemeinde den Friedhof auf Grund einer rasch wachsenden Bevölkerung und einer zunehmenden Zahl von Beerdigungen in den Elbvororten auf die damalige Pastoratskoppel an der Elbchaussee. Bis dahin konnten Pastor und Organist ihr Gehalt durch die Nutzung oder Verpachtung dieser Koppel aufbessern. Der Friedhof ist etwa 80 Meter von der Kirche entfernt.

 

Es gab auf dem neuen Friedhof zunächst vor allem Reihengräber, in denen die Verstorbenen in der Reihenfolge ihres Todes beerdigt wurden. In der Ordnung des neu eröffneten Friedhofs hieß es, „die Toten sollen ohne Unterschied des Standes oder der Dorfschaft begraben werden“. Die Ruhezeit endete nach 30 Jahren und konnte nicht verlängert werden. Auf Wunsch der Bevölkerung entschied die Kirchengemeinde dann bald, dass für jedes Dorf des Kirchspiels ein eigenes Grabfeld angelegt werden sollte.

Besondere Gräber für die Wohlhabenden und Reichen

 

Das Prinzip der gleichen Behandlung aller Toten wurde nicht lange durchgehalten. Viele alteingesessene wohlhabende Familien, vor allem aber die reichen Besitzer von Landhäusern, bevorzugten Eigentumsgräber, für die die Ruhezeit beliebig oft verlängert werden konnte und in denen ganze Generationen beerdigt wurden. Diese Grab­stätten konnten nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden. Die Angehörigen wurden aber verpflichtet, ein „passendes Monument“ zu wählen. Das schloss repräsentative Grabstätten reicher Familien nicht aus.

 

Zunächst war vorgesehen, die Allgemeinen Gräber im Friedhofsbereich an der späteren Elbchaussee anzu­legen. Die wohlhabenden Familien setzten aber durch, dass dort die Eigentumsgräber angelegt wurden, die sich seither in der Nähe des malerischen Elbhanges befinden. Als im 19. Jahrhundert zahlreiche Landhäuser und Villen reicher Hamburger und Altonaer Familien an der Elbchaussee entstanden, wuchs der Bedarf an Eigentumsgräbern. Viele der reichen Familien bevorzugten Familiengräber auf dem Friedhof des noch ländlichen Nienstedten anstatt auf städtischen Friedhöfen. Ende des 19. Jahrhunderts kam hinzu, dass der neue zentrale Hamburger Friedhof in Ohlsdorf zunächst besonders bei reichen Familien ausgesprochen unbeliebt war.

 

Die Gräber prominenter Persönlichkeiten

 

Zu den ersten Bewohnern der Elbvororte, die auf dem Friedhof in Nienstedten ihre letzte Ruhe fanden, gehörte 1839 Caspar Voght, der in Groß Flottbek ein großes Mustergut aufgebaut hatte und als Vertreter der Aufklärung und Sozialreformer bekannt wurde (siehe Abschnitt „Jenischpark“). Der Architekt Alexis de Chateauneuf entwarf die Grabanlage für Caspar Voght mit einer Gruft und einer repräsentativen großen Grabplatte. Zunächst zögerte Voght, ein solches Grab für sich zu planen, und schrieb dem Architekten: „Sie meynen es zu gut mit meyner Asche. Die Hülle ist zu schön für sie. Auf Nienstedtens Kirchhoff, mitten unter bescheidenen Grabsteinen, von einigen Kreuzen umgeben, paßt so etwas nicht.“ Caspar Voght ließ sich dennoch überzeugen, und so gehört seine Grabstätte nach dem Entwurf von Chateauneuf heute zu den „Historischen Gräbern“ auf dem Friedhof.

 

Andere reiche Anwohner der Elbchaussee waren nicht so zurückhaltend wie Voght, sodass es auf dem dörflichen Friedhof bald eine ganze Reihe prächtiger Grabstätten gab, darunter drei Mausoleen. Besonders groß ist das 1916 erbaute Mausoleum des Bankiers Rudolph Freiherr von Schröder und seiner Familie (vgl. „Schröderpark“). Die Grabstätten der reichen Kaufmanns- und Bankiersfamilien sind wie erwähnt in der Nähe zur Elbchaussee zu finden, viele mit großen Figuren und pompösem Schmuck.

Nach der ursprünglichen Friedhofsordnung hätten nur Mitglieder der Gemeinde auf dem Friedhof beerdigt werden dürfen. Aber der Vorstand der Kirchengemeinde beschloss, auch Fremden die letzte Ruhe in Nienstedten zu ermöglichen, allerdings mussten sie für ein Eigentumsgrab den doppelt so hohen Betrag zahlen wie Gemeindemitglieder. Das war kein Problem für die reichen Landhausbesitzer.  

Eine ganze Reihe „Historischer Gräber“ ist in mehreren Museumsbereichen erhalten worden. Darunter sind die Grabstätten von Carl Godeffroy, Hans Henny Jahn und Albert Oetker. Unter den vielen Prominenten, die auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe gefunden haben, sind auch der Tropenmediziner Bernhard Nocht, der Reichskanzler Bernhard von Bülow, der Kapitän Gustav Schröder (der viele bedrohte Juden rettete), der Hamburger Bürgermeister Paul Nevermann, die Theologin Dorothee Sölle, die Schauspielerin Heidi Kabel und ihr Mann Hans Mahler.

 

1920 errichtete die Gemeinde ein Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Mit der Gestaltung des Ehrenmals war der Künstler Richard Luksch beauftragt worden. Er war seit 1907 Professor an der Kunstgewerbeschule Hamburg. In einem Buch über den Nienstedtener Friedhof („Garten der Erinnerung“) heißt es über das monumentale Denkmal: „Es ist kriegerisches, heldenverehrendes Gedenken. Weithin sichtbar ist bis heute der Stahlhelm, der oben dem Denkmal aufliegt. ‚Dem Vaterland brachten sie ihr Leben zum Opfer‘, so heißt es im Geiste der damaligen Zeit.“ Das Denkmal für die Toten des Zweiten Weltkriegs fiel bescheidener aus, ein schlichter Stein mit dem Paulus-Wort „Lasset euch versöhnen mit Gott.“

 

Eine Friedhofskapelle im Stil der Neuen Sachlichkeit

 

Wegen der Nähe zur Nienstedter Kirche fanden zunächst die Trauergottesdienste in diesem Gotteshaus statt. Erst seit 1929 gibt es in Nienstedten eine Friedhofskapelle. Es ist ein Rundbau im Stil der damaligen Neuen Sachlichkeit. In dem erwähnten Buch über den Nienstedtener Friedhof heißt es über den Rundbau, er „beeindruckt gleichermaßen durch ein ausgefallenes Licht­konzept wie durch Backsteinreliefs im dunkelroten Klinker“.

 

Der Friedhof ist im Laufe der beiden Jahrhunderte mehrfach erweitert worden. Er hat inzwischen eine Fläche von 10,5 Hektar mit etwa 20.000 Gräbern. Infolge der veränderten Beerdigungskultur besteht keine Notwendigkeit für eine weitere Vergrößerung des Friedhofs.

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann

Entdeckungsreise entlang der Elbchaussee

Mit dem Linienbus 112 von Altona bis Blankenese

Rediroma Verlag 2024, 342 Seiten mit zahlreichen Farbfotos, 31,95 Euro

 

Hinweis: Die Fotos zu diesem Beitrag sind nur im gedruckten Buch zugänglich.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann