„Geh hin, und vom Martyrium gekrönt wirst du zu mir zurückkehren.“ Dieser Auftrag, den Ansgar 814 in einer Vision vernahm, wurde zum Wendepunkt in seinem Leben. Mit großem Gottvertrauen überstand er alle Gefahren und Rückschläge seiner Mission unter den „Barbaren“ im Norden Europas. Als Ansgar 801 im Norden des heutigen Frankreichs zur Welt kam, stand das Reich der Karolinger unter Karl dem Großen auf dem Höhepunkt seiner Macht. 804 besiegte Karl der Große die Sachsen und konnte nun sein Reich bis nach Holstein ausdehnen. Er machte die Sachsen mit Gewalt zu Christen. Auch der kleine Ort an der Alster mit der Hammaburg erhielt eine erste kleine Kirche.
Nördlich der Elbe beschränkte sich Karl der Große darauf, die Burg Esesfeld (nahe dem heutigen Itzehoe) als Vorposten zu errichten und die Hammaburg auszubauen. Auf einen Krieg gegen die kampfstarken Dänen und Slawen verzichtete er. Umgekehrt bedrohten dänische und norwegische Wikinger aber immer wieder die Küstengebiete seines Reiches und machten jahrelange Aufbauarbeiten in wenigen Stunden zunichte. Nach dem Tod Karls des Großen 814 regierte Ludwig der Fromme ein Reich, das von Norditalien bis an die Eider, von der Bretagne bis zum heutigen Österreich reichte.
Ludwig wollte das Christentum in Nordeuropa verbreiten. 826 ergab sich eine Gelegenheit, als der dänische König Harald den Kaiser aufsuchte, um ihn als Bündnispartner gegen seine Widersacher in Dänemark zu gewinnen, die ihn aus der Heimat vertrieben hatten. Ludwigs Bedingung: die Taufe Haralds und seines Gefolges. Das geschah auch – wobei unklar blieb, ob Harald dies aus taktischen Gründen tat, um mit kaiserlichen Truppen seine Herrschaft zurückzugewinnen. Der Kaiser wollte einen Priester mit König Harald nach Dänemark senden, aber es fand sich zunächst niemand bereit, in den als wild gefürchteten Norden zu ziehen und einen König zu begleiten, dessen christlicher Glaube alles andere als gefestigt war und der sein Herrschaftsgebiet erst noch mit kaiserlicher Unterstützung zurückgewinnen musste. Nur ein Priester war bereit, diese Risiken auf sich zu nehmen, Ansgar. Er hatte in einer Vision den Auftrag erhalten: „Gehe hin und verkünde den Heidenvölkern das Wort Gottes!“
Ein Mönch übernimmt die risikoreiche Aufgabe der Missionierung Nordeuropas
Er war nach dem Tod seiner Mutter schon im Alter von fünf Jahren in das Kloster Corbie in Flandern gekommen, und zunächst mehr an kindlichen Spielen als an einem ernsten klösterlichen Leben interessiert. Erst eine erste Vision brachte ihn dazu, sein Leben in den Dienst der Kirche und der Mission zu stellen. Im Traum erschien ihm die Jungfrau Maria und in ihrem Gefolge seine eigene Mutter, und es wurde ihm gesagt, er werde nur dann seine Mutter im Himmel wiedertreffen, wenn er sein Leben in den Dienst Gottes stellen würde. Solche Visionen und Träume, in denen Gläubige ihrem Gott oder Gestalten aus dem Evangelium begegneten, waren damals keine Seltenheit. Eine persönliche Offenbarung durch Gott und seine Boten war Teil des Glaubens. Für Ansgar waren solche Visionen immer wieder Entscheidungshilfen und Stärkung, wenn er sich in schwierigen Situationen befand.
Nach den ersten Visionen wurde er zum ernsthaften Schüler und entschloss sich, Mönch zu werden. Als Lehrer genoss er schon in jungen Jahren hohes Ansehen, und als ein Kloster in Corvey an der Weser gegründet wurde, sandte der Abt von Corbie ihn 822 als Lehrer und Prediger dorthin. Ansgar sah sich durch seine Visionen zur Heidenmission berufen und lebte mit der Erwartung, als Märtyrer zu sterben. So war er gern bereit, im kaiserlichen Auftrag die gefährliche Missionsreise nach Dänemark zu unternehmen. Sie endete allerdings sehr rasch, als Harald nach einigen Monaten erneut aus seinem Land vertrieben wurde.
830 reiste Ansgar auf Einladung des schwedischen Königs im kaiserlichen Auftrag nach Birka in der Nähe des heutigen Stockholms. Auf dem beschwerlichen Weg nach Birka überfielen Wikinger ihn und seinen Begleiter. Sie raubten unter anderem die Geschenke, die der Kaiser ihnen für den schwedischen König mitgegeben hatte. Ansgar konnte froh sein, mit dem Leben davon zu kommen. Auch ohne die Geschenke war es mit königlicher Unterstützung möglich, eine Holzkirche in Birka zu bauen und eine Gemeinde zu gründen. Nach eineinhalb Jahren kehrte Ansgar in die Heimat zurück. Der Kaiser entsandte danach einen Missionar nach Birka, der dort mehr als ein Jahrzehnt lang wirkte.
Der Bau einer ersten Holzkirche in der Hammaburg
Ansgar benötigte für seine schwierige kirchliche Aufbauarbeit einen festen Standort im Norden. Die Wahl fiel auf die Hammaburg, damals eine winzige Siedlung am Unterlauf der Elbe. Nach neuen archäologischen Erkenntnissen entstand diese Burg im 8. Jahrhundert als kleine sächsische Siedlung mit einigen Gehöften und vermutlich einem Adligen an der Spitze. Sie wurde um 820 von den Franken durch eine zweite Hammaburg ersetzt, die bereits einen Durchmesser von etwa 75 Metern hatte und über einen palisadengekrönten Erdwall verfügte.
Bis vor einigen Jahren ging man davon aus, dass Kaiser Ludwig der Fromme Ansgar im Einvernehmen mit dem Papst 831 zum Bischof von Hamburg machte. Inzwischen ist nachgewiesen worden, dass es sich bei der entsprechenden Urkunde um eine Fälschung aus dem 10. Jahrhundert handelt, die das Ziel hatte, Ansprüche des Erzbischofs von Köln auf Bremen abzuwehren und ältere Rechte eines Hamburger Bistums auf Bremen nachzuweisen. Rimbert titulierte Ansgar als Bischof, war aber wahrscheinlich nicht an der Fälschung der Urkunde beteiligt.
832 erfolgte die Ernennung Ansgars zum päpstlichen Missionslegaten für den Norden. Er ließ eine kleine Holzkirche in oder neben der Hammaburg bauen. Auch ein Wohnhaus wurde errichtet. Er lebte hier sehr bescheiden und soll sich meist darauf beschränkt haben, Wasser zu trinken und Brot zu essen. Es sollen auch ein Kloster und eine Schule in der Hammaburg entstanden sein, aber wir müssen von kleinen kirchlichen Anfängen ausgehen.
Der Überfall der Wikingen
Bereits 845, kam die Aufbauarbeit abrupt zum Erliegen. Dänische Wikinger segelten in schnellen Booten die Elbe herauf. Was dann geschah, hat Ansgars engster Mitarbeiter und Nachfolger Rimbert so beschrieben: „Die überraschende Plötzlichkeit dieses Ereignisses ließ keine Zeit, Männer aus dem Gau zusammenzuziehen, zumal auch der damalige Graf und Befehlshaber des Ortes, der erlauchte Herr Bernhard, nicht zugegen war; als der Herr Bischof dort von ihrem Erscheinen hörte, wollte er zunächst mit den Bewohnern … den Platz halten, bis stärkere Hilfe käme. Aber die Heiden griffen an; schon war die Burg umringt; da erkannte er sich zur Verteidigung außerstande, und nun sann er nur noch auf Rettung der ihm anvertrauten heiligen Reliquien; seine Geistlichen zerstreuten sich auf der Flucht nach allen Seiten, er selbst entrann ohne Kutte nur mit größter Mühe. Auch die Bevölkerung, die aus der Burg entrinnen konnte, irrte flüchtend umher; die meisten entkamen, einige wurden gefangen, sehr viele erschlagen.“
Alle Häuser und die Kirche brannten nieder. Ansgar und seine Mönche konnten nur ihr Leben und die Reliquien retten und flohen nach Bremen. Ebenfalls 845 erlitt die Missionsarbeit in Schweden einen schweren Rückschlag, als heidnische Schweden die Kirche zerstörten und den Priester vertrieben.
Bremen wurde nun zum Wohnsitz Ansgars, aber auch dieser Ort wurde 858 von Wikingern erobert und geplündert. Um für die Missionierung des Nordens eine breitere Grundlage zu schaffen, entstand unter großen kirchenpolitischen Mühen das Erzbistum Hamburg-Bremen. Nach neueren Forschungserkenntnissen geschah das erst im 10. Jahrhundert und nicht schon zu Lebzeiten Ansgars. Er ließ sich durch alle Rückschläge nicht entmutigen und konnte dort bei mehreren Reisen nach Dänemark und Schweden erneut Gemeinden gründen. Auch in Haithabu entstand eine christliche Gemeinde.
Viel Gefahren überstanden, aber nicht als Märtyrer gestorben
Aber trotz vieler Reisen voller Gefahren blieb Ansgar das Märtyrerschicksal erspart oder, wie er es selbst sah, vorenthalten. Als er am 3. Februar 865 auf dem Krankenbett im Sterben lag, war er tief enttäuscht, dass ihm die „Krone des Martyriums“ nicht vergönnt war. Sein bester Freund, Biograf und Nachfolger Rimbert versuchte, Ansgar damit zu trösten, dass sein ganzes Leben ein Martyrium gewesen wäre. Aber erst durch eine letzte Vision ließ Ansgar sich überzeugen, dass er auch ohne den Opfertod in den Himmel kommen würde. So konnte er friedlich sterben. Er wurde vom Papst heiliggesprochen. David Fraesdorff hat in einer 2009 erschienenen Ans-gar-Biografie dessen Beitrag zur Missionierung des Nordens so bewertet: „Ansgar hat den Anfang eines gefährlichen und unsicheren Unternehmens gemacht und so den Grundstein für den noch heute tief verwurzelten christlichen Glauben in Nordeuropa gelegt.“
Die Erinnerung an Ansgar wird in Hamburg u. a. durch die Ans-gar-Kirche in Langenhorn, die Sankt-Ansgar-Schule, den Ansgarweg in Lokstedt, Statuen in der St. Petrikirche und auf der Trostbrücke sowie die jährliche ökumenische St. Ansgar-Vesper wachgehalten.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte