Mariendarstellung in der Schlosskirche in Wittenberg
Mariendarstellung in der Schlosskirche in Wittenberg Foto: iStock.com/bpperry

Maria im Verständnis von Luther

 

Martin Luther sprach sich dafür aus, Maria Ehre zukommen zu lassen, wie Christen einander Ehre zukommen lassen sollen, allerdings grenzte er sich deutlich von der Marienfrömmigkeit der Katholiken ab: „Aber man sehe zu, dass man sie recht ehre; denn man ist so tief in die Ehre getreten, dass man sie höher hebt als man soll. Daraus sind … Schäden kommen: eine Benachteiligung Christi, weil man mehr die Herzen auf sie gerichtet hat als auf Christus selbst, sodass Christus recht hinten ins Finstere gestellt und seiner ganz vergessen ist …“[1] Der Reformator hat die Ma­ri­en­ehrung also nicht grundsätzlich abgelehnt, aber sich immer dann dagegen ausgesprochen, wenn nicht mehr Christus ins Zentrum gestellt wurde. In gleicher Weise lehnte er ab, dass es zu seiner Zeit 180 Marien- und Heiligenfeiertage begangen wur­den. Martin Luther kritisierte, dort werde „gesoffen und gefressen, so daß den Heiligen mehr Unehre als Ehre getan werden“.[2] Die Marienverehrung stand im Zentrum dieser Heiligenverehrungen und vieler Wallfahrten, de­ren Gestaltung ebenfalls vom Reformator kritisiert wurde.

 

Horst Gorski, ehemaliger Propst in Hamburg, hat sich intensiv mit Martin Luthers Marienlehre beschäftigt und darüber eine Dissertation verfasst. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Zeitzeichen“ erinnerte er 2007 daran, dass Luther engagierte Marienpre­digten gehalten hat. Aber der Reformator bestimmte die Rolle Marias neu: „Se­lig werden wir allein durch den Glauben an Jesus Christus. Demzufolge kritisiert der Reformator alle Aussagen, die Maria irgendwelche heilsvermittelnden oder gar erlösenden Funk­tionen zuschreiben. Der Ehre Christi darf durch die Marienverehrung kein Abbruch getan werden – das ist der entschei­dende Punkt.“[3]

 

In einem Buch über das „Magnifikat“ hat sich Martin Luther ausführlich mit diesem Lied der Maria beschäftigt. Darauf gehe ich im Text über das Magnifikat ein, hier sei lediglich erwähnt, dass auch in dieser Ausle­gung des Lobgesangs der Maria die Christologie im Zentrum steht, also das Verständnis Martin Luthers von der heilsbringenden Bedeutung Christi. Das Magni­fi­kat führt für den Reformator zu Jesus Christus und seiner Botschaft hin, und allein darin liegt seine Bedeutung. Das Bild Martin Luthers von der Mutter Jesu war deutlich stärker als in der damaligen Marienverehrung bestimmt durch die Aussagen der Heiligen Schrift über Maria, vor allem der Betonung ihrer Niedrigkeit und Demut.

 

Demgegenüber lehnte er spä­tere, in Legenden und kirchlichen Traditionen verwur­zelte Bilder Marias ab. „Allein die Schrift zählt“, galt für den Refor­mator auch an dieser Stelle. Unter Aufnahme des Marienverständnisses von Mar­tin Luther hat die frühere Hamburger Bischöfin Maria Jepsen in einem Vortrag festgestellt: „Eine evangelische Marienverehrung ehrt Maria als Vorbild der Demut, die Gottes Geschenk angenommen hat. So wie sie sich hat in den Dienst Gottes stellen lassen, so sollen wir als Christen es ihr nachtun.“[4]

 

Der lutherische Theologe Horst Gorski kommt zum Ergebnis: „Grund­sätzlich muss lutherischen Christen die Verehrung Marias nicht verwehrt sein – wenn sie denn Christi Ehre keinen Abbruch tut.“[5] Wenn wir uns hier an die Aussagen von Wolfgang Thönissen im Beitrag zu Maria in katholische Dogmen erinnern, wird deutlich, dass mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine Annäherung des Verständnisses von Maria zwi­schen Katholiken und Lutheranern stattgefunden hat, eine Annäherung aller­dings, die durch jene Katholiken beendet werden könnte, die zum vorvatikanischen Ma­rien­verständnis zurückkehren wollen – und vielleicht auch durch Protestanten, die jede Marienehrung als katholisch ablehnen.

 

Weihnachten ist ein schöner Anlass, die Jesusmutter ökumenisch zu ehren. Und, wenn Christinnen und Christen sich dem katholischen Theologieprofessor Karl-Josef Kuschel anschließen, dann können sie erkennen, dass es zwar große Un­ter­schiede in der Wahrnehmung Marias in den monotheistischen Religionen gibt, dass aber auch festzustellen ist: „Juden, Christen und Muslime begreifen Maria als eine besondere jüdische Frau und Mutter. Und wenn das so ist, dann sind sie in eine Solidargemeinschaft hineingenommen. Dann verbietet sich zum Beispiel jede Art von Antisemitismus und Antijudaismus.“[6] Dass Martin Luther zwar damalige For­men der Marienverehrung ablehnte, nicht aber die Ehrung Marias, dass das Zweite Vati­ka­nische Konzil eine Neubestimmung der Marienverehrung vornahm und dass eine neue Beschäftigung mit Maria in Judentum und Islam begonnen hat, eröffnet einen Weg, dass Maria die Gläubigen nicht trennt, sondern verbindet.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

Eine Übersicht über weitere Beiträge zu Maria finden Sie auf der Seite "Maria - die Mutter Jesu". 

 



[1] Martin Luthers Evangelien-Auslegung, Göttingen 1950, S. 13

[2] Martin Luther: An den christlichen Adel deutscher Nation, zitiert nach: Maria Jepsen: Maria in der evangelisch-lutherischen Kirche, Vortrag am 1.11.2004, S. 3, auf www.nordelbien.de

[3] Martin Gorski: Grundlegender Wandel, Luthers Marienverehrung, die heutigen Protestanten und die Ökumene, Zeitzeichen, 12/2007, S. 27

[4] Maria Jepsen: Maria in der evangelisch-lutherischen Kirche, Vortrag am 1.11.2004, S. 4, auf www.nordelbien.de

[5] Ebenda, S. 28

[6] Maria verbindet drei Religionen, Gespräch mit Karl-Josef Kuschel, Zeitzeichen, 12/2007, S. 40