Die Verteidigung des „öffentlichen Raums“

 

Wer heute durch eine Großstadt wie Hamburg wandert, entdeckt immer weniger nicht-kommerzielle Angebote. Dass die zentrale Öffentliche Bücherhalle nur noch durch einen mittelgroßen Laden in einer Nebenstraße betreten und entsprechend leicht übersehen werden kann, ist ein Symptom dafür, wie die kommerziellen Angebote sich durchsetzen. Auch das Gas- und das Elektrizitätsunternehmen sind längst privatisiert, zum Beispiel mit dem Effekt, dass das Elektrizitätsunternehmen sein Museum geschlossen hat, in dem nicht nur Geschichte dargestellt, sondern auch Schulklassen und Gruppen zahlreiche Möglichkeiten fanden, die Welt der Elektrizität anschaulich kennenzulernen. Angesichts des harten internationalen Wettbewerbs könne das Unternehmen es sich nicht länger leisten, ein solches Museum zu betreiben, hieß es.

 

Immer mehr Lebensbereiche werden den Gesetzen des Marktes unterworfen und damit der Frage, ob etwas sich finanziell lohnt. Ein Beispiel ist der Fußball. Die Besitzer der Fernsehrechte entscheiden inzwischen, wann in der Bundesliga gespielt wird, und zwar auf mehrere Tage verteilt und zu unterschiedlichen Zeiten, damit möglichst viele Direktübertragungen möglich werden. Einzelne Fußballvereine sind bereits an der Börse notiert. Das Hamburger Fußballstadion wurde nicht wie von einem großen Teil der Fans gewünscht nach Uwe Seeler benannt, sondern nach dem Internet-Anbieter AOL. Das bringt dem Verein nämlich Millionen ein, während eine Benennung nach dem verdienten Fußballspieler nichts in die Kasse gebracht hätte. Zu der Entscheidung sagte der Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins, Udo Bandow: „Es gibt in einem Berufsleben immer wieder Situationen, in denen man sich zwischen Herz und Verstand entscheiden muss.“[1] Der Verstand, der sagte wieder einmal: Geld. Dies ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie der Sport, jedenfalls der Spitzensport, immer mehr zu einer kommerziellen Angelegenheit geworden ist. Ähnliches ließe sich für andere Lebensbereiche wie die Kultur zeigen.

 

Dagegen regt sich allmählich, aber noch recht zaghaft Widerstand. Angesichts der globalen Kampagnen für eine Kommerzialisierung und Privatisierung von immer mehr Lebensbereichen gilt es, den öffentlichen Bereich zu verteidigen, angefangen bei der Abwehr eines Verkaufs des heimischen Wasserwerkes. Dass private Unternehmen besser wirtschaften als öffentliche Unternehmen ist ein Mythos, der um so stärker verteidigt wird, desto offenkundiger sich in allen Teilen der Welt das Gegenteil zeigt. Die Probleme der privatisierten Telekom und die Pleite des privaten Konkurrenten MobilCom, die zum Verlust von vielen Tausend Arbeitsplätzen führen, sind Beispiele dafür, von dem Konkurs mit Milliardenschaden des amerikanischen Telekommunikationskonzerns Worldcom ganz zu schweigen.

 

Der öffentliche Sektor kann effizient und erfolgreich arbeiten, dafür gibt es in Deutschland viele Beispiele, und es kann einiges getan werden, um diesen Bereich noch effizienter zu machen. Dies gilt noch mehr für die Länder im Süden der Welt. Gerade dort gibt es aber auch zahlreiche Initiativen für die Erhaltung des öffentlichen Sektors und gegen eine Übernahme dieser Betriebe durch ausländische Konzerne.

 

Öffentliche Betriebe müssen kostenbewusst arbeiten, aber ihr primäres Ziel ist nicht der Gewinn, sondern die Bereitstellung von Diensten für die Bevölkerung. Am Beispiel von Wasser wurde im zweiten Band dieser Studie dargestellt, wie sich der Unterschied zwischen einer Orientierung an den Bedürfnissen oder an einem hohen Gewinn konkret für die Menschen und vor allem für die Armen auswirkt. Es gibt Bereiche, wo die Marktgesetze sinnvollerweise zum Zuge kommen, angefangen bei den Gemüseständen auf dem Wochenmarkt, es gibt aber auch viele Lebensbereiche, wo eine Orientierung an Gewinn und Verlust sich negativ auswirkt. Ein Beispiel dafür ist die Kultur. Die Verteidigung und Wiedergewinnung eines nicht durch und durch kommerzialisierten öffentlichen Raums ist deshalb ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung.

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

  

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 



[1] Zitiert nach: Hamburger Abendblatt, 3.7.2001