Er ist wahrscheinlich auch unter Kennern der Hamburger Geschichte kaum bekannt und lebte auch nur kurze Zeit in der Stadt, aber er hatte einen spannenden Lebenslauf und trug als erster „Court Master“ der „Company of Merchant Adventurers“ dazu bei, dass Hamburg zu einem wichtigen europäischen Hafen aufstieg. Richard Clough wurde etwa 1530 als Sohn eines Handschuhmachers in Wales geboren. Und zunächst fiel er nur durch seine schöne Singstimme im Chor der Kathedrale von Chester auf. Er zog für eine Gesangsausbildung nach London, aber befasste sich dort bald nicht mehr mit Musiknoten, sondern als Kaufmann mit Banknoten. Als junger Mann reiste er in den Nahen Osten und wurde in Jerusalem zum Ritter des Heiligen Grabes geschlagen, was dazu führte, dass er manchmal Sir Richard Clough genannt wird.
Nach London zurückgekehrt, arbeitete er als Faktor (heute würde man sagen Manager) des reichen Kaufmanns Thomas Gresham. Für ihn ging er 1552 nach Antwerpen, damals ein führendes Handels- und Bankzentrum Europas. Hier betrieb er nicht nur vielfältige Geschäfte – einschließlich dem Schmuggel von Geld und Waffen – für seinen Arbeitgeber, sondern war gleichzeitig Agent im Dienste der englischen Königin. In seinen langen Briefen an Gresham befasste er sich nicht nur mit geschäftlichen Angelegenheiten, sondern schrieb auch ausführliche Texte über Land und Leute, in die er geheimdienstliche Erkenntnisse einfügte. Gresham reichte die Briefe an die britische Regierung weiter, die Cloughs Beschreibungen und Analysen ebenso geschätzt haben dürfte, wie es heutige Historiker tun.
Die Gründung der Börse in London
In Antwerpen beschäftigte Clough sich intensiv mit der Börse von Antwerpen und schlug Gresham Ende 1561 vor, in London ebenfalls eine solche Börse zu eröffnen. Beide verwirklichten gemeinsam diesen Plan, wobei Clough einen flandrischen Architekten gewann und Kapital bereitstellte. 1565 kehrte er als reicher Mann nach Wales zurück. Clough heiratete Catherine Mulart, mit der er einen Sohn hatte. Nach ihrem Tod nahm er 1567 Katheryn von Berain zur Frau. Wie es zu dieser Heirat kam, ist als skurriles Ereignis überliefert worden. Clough nahm an der Trauerfeier für den ersten Mann von Katheryn teil und geleitete sie in die Kirche. Nach der Trauerfeier führte sie ein anderer Freund der Familie aus der Kirche. Er nutzte die Gelegenheit, um sie zu fragen, ob sie seine Frau werden wollte. Sie antwortete, er käme leider etwas zu spät, weil Clough auf dem Weg in die Kirche um ihre Hand angehalten und sie zugesagt hatte, ihn zu heiraten. Aber wenn Clough vor ihr sterben sollte, würde sie einer Heirat mit dem Zuspätgekommenen zustimmen, und so geschah es tatsächlich später. Wir dürfen uns Clough also als einen sehr zielstrebigen Menschen vorstellen, der jede Gelegenheit zu nutzen wusste, sei es als Kaufmann, Agent oder auf Freiersfüßen.
Nach seiner Hochzeit kehrte er zusammen mit seiner Frau nach Antwerpen zurück, wo seine Dienste dringend benötigt wurden. Durch die spanisch-niederländischen Auseinandersetzungen sahen sich die zahlreichen englischen Kaufleute in der Stadt veranlasst, einen neuen Standort für ihre internationalen Geschäfte zu suchen. Clough wurde zum „Court Master“ ihrer Vereinigung „Company of Merchant Adventurers” berufen. Diese Bruderschaft war im 14. Jahrhundert von englischen Tuchhändlern gegründet worden und besaß neben verschiedenen Standorten in Großbritannien ihren ausländischen Hauptsitz in Antwerpen mit Lagerhäusern, Wohnhäusern und einer Kirche. Nun stand ein Umzug an.
Englische Kaufleute in Hamburg willkommen - allerdings nicht bei allen
Als neuen Sitz wählte man Hamburg. Die englischen Kaufleute waren auf Seiten des Rates der Stadt hochwillkommen, denn mit ihren internationalen Handelsverbindungen konnten sie zur weiteren Belebung des Hamburger Hafens beitragen. Der Vertrag wurde 1567 zunächst für zehn Jahre geschlossen. Clough lebte mit seiner Familie von 1569 an in der Stadt. Aber er erkrankte im folgenden Jahr aus ungeklärter Ursache. Es verbreitete sich nach seinem Tod im Sommer 1570 das Gerücht, er wäre als Spion von Königin Elisabeth vergiftet worden.
Clough wurde in Hamburg beerdigt, allerdings erst nach einigen Auseinandersetzungen. Die lutherische Geistlichkeit hatte sich seiner Beerdigung auf Hamburger Gebiet widersetzt. Die „Merchant Adventurers“ beklagten sich, dass sie viel Mühe gehabt hätten, ihm ein Begräbnis zu ermöglichen, „denn die Geistlichen hier hassen alle Religionen außer ihrer eigenen, die der Papisterei sehr ähnlich ist“. Die anglikanischen Kaufleute überlegten, nach Emden auszuweichen, wo die Religionsausübung freier wäre. Im folgenden Jahr erwogen die Kaufleute erneut einen Umzug nach Emden: „Hier in Hamburg wird die Bevölkerung von Zeit zu Zeit immer mehr gegen uns erbittert, was hauptsächlich durch die Pastoren veranlasst wird, die unaufhörlich gegen uns predigen.“
Die Stadt erwies sich also nicht als so gastfreundlich wie erhofft. So groß der Vorteil für den Hamburger Hafen und Handel durch die englischen Kaufleute auch einzuschätzen war, so gab es neben den religiösen Konflikten auch diplomatische Verwicklungen. Die spanische Regierung verübelte Hamburg die Aufnahme der Kaufleute, waren sie doch aus dem spanischen Einflussbereich weggezogen. Deshalb kam es zu Beeinträchtigungen des iberischen Handels. Auch der Städtebund der Hanse protestierte gegen das gewährte Niederlassungsrecht für die englischen Kaufleute, da eine solche Privilegierung von Fremden den Vereinbarungen der Hanse widersprach. Der Druck von innen und außen war so groß, dass Hamburg 1577 den Vertrag nicht erneuerte und die „Merchant Adventurers“ tatsächlich nach Emden umzogen.
Emden und sein Hafen erwiesen sich aber als zu klein für die internationalen Handels- und Bankgeschäfte der englischen Kaufleute. Deshalb schlossen die „Merchant Adventurers“ 1611 einen neuen Vertrag mit der Stadt Hamburg. Der Rat bot den englischen Kaufleuten nun neue Vorteile wie Zollfreiheit und Religionsfreiheit an. Auch stellte die Stadt ihr bisheriges Gästehaus an der Gröninger Straße den englischen Kaufleuten zur Verfügung. Die Händler blieben bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in Hamburg, als sie nach der französischen Besetzung der Stadt vertrieben wurden.
Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte