Abwasserprobleme in Deutschland und weltweit
Im Abwasser finden sich die Spuren all dessen, was gemeinhin als Fortschritt bezeichnet wird. Dieses gebrauchte und missbrauchte Wasser wird immer mehr zum Problem. Dies gilt besonders für die wirtschaftlich armen Länder der Welt, wo zwei Milliarden Menschen ohne einen Anschluss an ein Abwassersystem irgendeiner Art leben müssen. Zu den Fehlern der Entwicklungspolitik in den letzten Jahrzehnten gehörte, zwar in vielen Städten des Südens zur Verbesserung der Wasserversorgung beigetragen, darüber aber oft die Abwasserentsorgung vernachlässigt zu haben.
Auch in Deutschland gibt es Probleme mit der Abwasserentsorgung. Dies gilt besonders für die neuen Bundesländer, denn hier wurden nach der Wiedervereinigung so große Klärwerke gebaut, dass sie heute völlig unzureichend genutzt werden und hohe Kosten verursachen. Es gibt drei Gründe für die Fehlplanungen. Es sind in den meisten Orten wesentlich weniger neue Gewerbe- und Industriebetriebe entstanden als erhofft, es hat eine Abwanderung von Teilen der Bevölkerung in die alten Bundesländer stattgefunden und die Kommunen sind arglistig betrogen worden. Unternehmen aus dem Westen haben die neuen Abwassersysteme geplant und neue Klärwerke gebaut – alles vom Feinsten und zu groß und zu teuer.
Die Folge ist, dass die Abwassergebühren in den neuen Bundesländern weit höher sind als im Westen. So betrugen die Gebühren für einen Kubikmeter Abwasser im Herbst 2005 in Braunschweig 1,90 Euro, in Halle dagegen 2,99 Euro und in Dessau sogar 3,56 Euro. Das hat massive Proteste der Bevölkerung ausgelöst. Dies umso mehr, als ein Anschlusszwang eingeführt wurde. Konnten in der DDR Klärsysteme auf einem eigenen Grundstück gebaut werden, hat man den Grundstücksbesitzern inzwischen diese Möglichkeit genommen. Allein die Anschlusskosten belaufen sich für die Grundstücksbesitzer auf 10.000 Euro oder mehr. Hinzu kommen die hohen monatlichen Gebühren. Als teurer Fehler erwies es sich auch, die dezentral organisierten kommunalen Wasserbetriebe in große Zweckverbände einzubringen. Diese arbeiten oft wenig effizient und haben sich zudem zentrale Klärwerke „aufschwatzen“ lassen, was zur Konsequenz hat, dass lange und teure Abwasserkanalnetze gebaut werden mussten.
Die Gemeinde Jeserig in Brandenburg besitzt ein Klärwerk, das für eine Million Kubikmeter Abwasser im Jahr ausgelegt ist. In Jeserig und neun Nachbargemeinden fallen aber nur 350.000 Kubikmeter an. Der Zweckverband ist mit fünf Millionen Euro verschuldet. Dabei hatte es vor dem Bau des großen Klärwerkes nicht an Warnungen gefehlt. Selbst die Westdeutsche Landesbank als Kreditgeber hatte zu Bedenken gegeben, dass die Wachstumsprognosen für Gewerbeansiedlung und Bevölkerungszahl sehr optimistisch seien. Aber das Planungsbüro (aus dem Westen) und das Bauunternehmen (aus dem Westen) setzten sich mit ihren Vorstellungen durch. So wie in Jeserig lief es vielerorts in Brandenburg, mit der Konsequenz, dass die Gebühren für einen Kubikmeter Abwasser hier um 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegen und zusätzlich Steuermittel zur Entschuldung der Zweckverbände eingesetzt werden müssen. Gewinner hat es bei diesem Geschäft auch gegeben, aber diese Firmen im Westen reden lieber nicht mehr über die überdimensionierten Projekte im Osten. Und es gibt noch weitere Gewinner: Angesichts der Überschuldung der Wasserbetriebe im Osten bieten kommerziell arbeitende Wasserunternehmen wie Gelsenwasser an, sie könnten den Betrieb übernehmen.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am 18. September 2004, dass Bürger aus einem Dutzend Abwasser-Initiativen sich an die Treppen des Brandenburgischen Landtages in Potsdam stellten und Schilder mit Aufschriften wie „Nötigung“, „Betrug“ und „Diebstahl“ hoch hielten. Das Land Brandenburg hatte den Bau von Klärwerken und Leitungen mit 910 Millionen Euro bezuschusst. Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich jetzt, ob dort wirklich niemand gemerkt hat, welches Spiel im Gang war und welche Belastungen auf die Bewohner in Form hoher Anschlusskosten und laufender Gebühren zukommen würden. Die Geschäfte um das Brandenburger Abwasser sind ein wirklich trübes Kapitel. Dafür gab die „Lausitzer Rundschau“ am 20. November 2006 ein Beispiel. Unter der Überschrift „Keinen Cent für ökologische Kleinkläranlagen“ hieß es: „Angesichts der voranschreitenden Ausdünnung Brandenburgs wären sie der effektivste Weg: Kleinkläranlagen zur Abwasserbehandlung. Weil jedoch die Schuldenzahlungen für verfehlte Großanlagen alle Finanzkraft auffressen, gibt es keine Förderung des Landes mehr dafür ... Ein Großteil des Geldes wird zurzeit dafür ausgegeben, die schlimmsten Auswirkungen von Fehlplanungen der 90er Jahre zu lindern.“ Demgegenüber hat sich das Land Sachsen entschlossen, Kleinkläranlagen gleichberechtigt zu fördern. Es soll jeweils vor Ort entschieden werden, ob eine zentrale oder dezentrale Lösung wirtschaftlicher ist.
Medikamente im Abwasser
Aber auch die Klärwerke in Westdeutschland sowie im übrigen Europa stehen vor gravierenden Problemen. Ein Großteil der Chemikalien wird nicht aus dem Abwasser herausgefiltert. Es gibt rund hunderttausend synthetische Chemikalien plus eine fast unendliche Zahl von Verbindungen zwischen ihnen. Sie alle landen irgendwann im Wasser. In einer Untersuchung der Universität Dortmund wurden zum Beispiel chemische Flammschutzmittel im Abwasser entdeckt. Ursprünglich sollte es die Entflammbarkeit von Textilien vermindern, aber durch die Wäsche gelangte auch dieser Stoff in die Kanalisation. Zu den beunruhigenden Entwicklungen gehört, dass immer mehr Medikamentenreste im Abwasser gefunden werden. Allein in Deutschland werden jedes Jahr 100 Tonnen Schmerzmittel geschluckt und belasten das Abwasser. Dass in Ländern wie Deutschland mehr als 3.000 Arzneimittelwirkstoffe zugelassen sind, die auch noch Verbindungen miteinander eingehen, lässt ahnen, welche Arzneimittelmischung in den Klärwerken ankommt. Die sind weder in der Lage, alle diese Stoffe zu analysieren noch sie aus dem Abwasser zu entfernen. So gelangen sie entweder Klärschlamm oder in Gewässer unterhalb der Klärwerke.
Der stellvertretende Direktor der „Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz“, Ueli Bundi, sagte 2001 der Zeitschrift „du“ über die Folgen der Medikamentenreste im Abwasser: „Es gibt ja immer wieder so spektakuläre Sachen wie in den letzten Jahren die Frage der endokrinen Stoffe. Das sind die, die hormonartige Wirkung haben. Sie stammen aus Medikamenten, aber auch aus anderen Chemikalien, und führen im Wasser dazu, dass männliche Tiere verweiblichen.“ Unterhalb von Kläranlagen wurden schon häufiger verweiblichte Fischmännchen gefunden. Ueli Bundi: „Spuren von Medikamenten lassen sich heute in allen Gewässern unterhalb von Kläranlagen nachweisen.“ Es klingt alarmierend, was er hinzufügt: „Über die Wirkung der synthetischen Chemikalien, wenn sie ins Wasser gelangen, wenn sie interagieren und sich vermischen, über die Wirkungen solcher Chemikalienmixe weiß man praktisch nichts. Es sind Hunderte, Tausende von Stoffen, und es ist ein gigantisches Unterfangen, nur schon zu erkennen, welche Stoffe im konkreten Fall vorliegen, sowie Analysemethoden zu entwickeln, um alle Stoffe in tiefster Konzentration nachweisen zu können – vom Wirkungsnachweis ganz zu schweigen!“
Globale Vermarktungskonzepte von Medikamenten und anderen Chemikalien haben längst dafür gesorgt, dass dieses Problem nicht auf reiche Staaten beschränkt bleibt. Wenn Länder wie die Schweiz Milliardenbeträge in die Abwasserentsorgung investieren und solche Probleme trotzdem bestehen bleiben (siehe Abschnitt Schweiz), lässt sich nur ahnen, vor welchen Abwasserproblemen ärmere Länder stehen. Angesichts der Vielfalt von Medikamentenrückständen fragten Matthias Brendel und Matthias Meili 1998 in der Schweizer „Weltwoche“: „Wird die kostengünstigste Therapie künftig ein Bad in einem Schweizer See sein?“
In Deutschland ist die Lage womöglich noch schlechter. 1993 fanden Lebensmittelchemiker der TU Berlin beunruhigend hohe Anteile von Clofibrinsäure – einem wichtigen Bestandteil vieler Medikamente – im Berliner Trinkwasser. Zwar ist ein Nanogramm nur der milliardste Teil eines Gramms, aber 165 Nanogramm der Säure sind alarmierend. Bei 100 Nanogramm Pestizidrückstände pro Liter darf Trinkwasser nicht mehr an die Bürgerinnen und Bürger geliefert werden, aber für Medikamentenreste gibt es solche Grenzwerte nicht. Immerhin muss in Deutschland seit 1998 bei neu auf den Markt gebrachten Medikamenten deren Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden.
Im November 2005 wurden die beunruhigenden Ergebnisse einer Untersuchung des „Southern California Coastal Water Research Project“ bekannt. Sie fanden bei 11 von 82 untersuchten männlichen Seezungen und Hornyhead Turbots Eierstock-Gewebe in den Hoden. Die Fische wurden in Meeresgebieten gefangen, in die Abwässer geleitet werden. Als Hauptursache der Veränderungen gilt Östrogen (das in Antibabypillen enthalten ist), es wird aber auch vermutet, dass DDT zu diesen Befunden beigetragen haben kann. Dass sich die Verweiblichung männlicher Fische nicht nur in Flüssen, sondern inzwischen auch in Meeren zeigt, alarmiert die Wissenschaftler und erfordert weitere Untersuchungen – und einen anderen Umgang mit chemischen Stoffen und Abwässern.
Giftiges Abwasser der Industrie
Der Industrie ist es in Deutschland und anderen europäischen Ländern verboten, gefährliche chemische Stoffe in das Abwasser oder den nächstgelegenen Fluss zu leiten. Das wird inzwischen auch kontrolliert. Deshalb ist ein ganzer Wirtschaftszweig entstanden, der auf die Entsorgung von giftigem Abwasser spezialisiert ist. Die Kosten für die Umwandlung hochgiftiger Flüssigkeiten in gereinigtes Abwasser, das in die Kanalisation geleitet werden kann, sind hoch. Es gibt deshalb immer wieder „schwarze Schafe“ in der Branche, die billigere Lösungen finden. Ein besonders skandalöser Fall dieser Entsorgung wurde 2002 in dem fränkischen Dorf Reuth bei Neuendettelsau bekannt. Ein Bauer des Dorfes hatte eine Biogasanlage angemeldet und auch genehmigt bekommen. Tatsächlich fuhr aber von 1999 an eine große Zahl von Tanklastwagen mit hochgiftigen Chemikalien auf den Hof.
Angeblich wollte der Bauer diese Stoffe in seiner Biogasanlage zur Energieerzeugung nutzen. Tatsächlich aber verteilte er die giftigen Flüssigkeiten auf seine Felder, die bald lila-violett leuchteten. Die Nachbarn zögerten, den Umweltfrevel anzuzeigen, denn man kennt sich lange und muss miteinander zurechtkommen. Erst als Ostern 2002 erneut eine große Menge bestialisch stinkender Chemikalien auf die Felder des Bauern verteilt wurden, erstatteten Nachbarn Anzeige bei der Polizei. Die Nachforschungen ergaben, dass etwa 5.000 Tonnen giftiger Flüssigkeiten an den Bauern geliefert worden und vermutlich zum größten Teil auf den Feldern gelangt waren. Der Bauer wurde vom Vorsitzenden Richter als „geldgieriger Umweltstraftäter“ bezeichnet und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Aber es blieben bei dem Prozess offene Fragen. Welche Mitschuld trifft das hessische Entsorgungsunternehmen, das einen Tanklastwagen giftiger Brühe nach dem nächsten in das Dorf Reuth schickte und so hohe Entsorgungskosten sparte? Und warum haben die Aufsichtsbehörden die Anlage des Bauern nie überprüft und sind den Hinweisen auf Missstände nicht nachgegangen, sondern haben immer neue Genehmigungen erteilt?
Der Fall in Reuth ist nicht typisch für den Umgang mit gefährlichen Stoffen der europäischen Industrie. Die Umweltgesetze sind schärfer geworden, und es wird auch vermehrt geprüft, ob sie eingehalten werden. Manche Unternehmen haben daraus die Konsequenz gezogen, die Produktion dorthin zu verlagern, wo solche Umweltauflagen noch nicht bestehen oder durchgesetzt werden. Die Industrie in Ländern wie Deutschland, Österreich oder der Schweiz ist deshalb „sauberer“ geworden.
Die Freude darüber, dass Flüsse wie der Rhein und die Elbe heute wieder deutlich weniger belastet sind als vor Jahrzehnten und man sogar Elbebadetage feiert, wird durch die Verlagerung der Belastungen in ärmere Länder getrübt. Um nicht negativ in die Schlagzeilen zu geraten, ist es dabei für die international agierenden Unternehmen viel günstiger, lokalen Subunternehmern den schmutzigen Teil der Produktion zu übertragen. Diese stehen dann bei einer Veröffentlichung der Missstände im Zentrum der Kritik, während der internationale Partner mit dem Brustton der Überzeugung erklären kann, er habe von all dem nichts gewusst und die Geschäftsbeziehungen nach dem Bekanntwerden der Umweltbelastungen sofort abgebrochen.
Die südindische Industriestadt Tirupur ist der Sitz von mehr als 1.000 Färbereien. Aber die „T-Shirt-Town“ bezahlt dafür, dass sie Textilien für einen globalen Markt färbt, einen hohen Preis. Nichtregierungsorganisationen schätzen, dass etwa 30.000 Kinder unter unmenschlichen Bedingungen jene Textilien färben, bleichen und schneiden, die dann hierzulande preiswert verkauft werden. Die Färbereien verbrauchen so viel Wasser, das für sie und die Bevölkerung Wasser in Hunderten Tanklastwagen aus der weiten Umgebung herangefahren werden muss. Das Abwasser wird in den Fluss Nyel geleitet, der dunkel violett gefärbt ist. Dierk Jensen schrieb in der Ausgabe 2/2000 der Zeitschrift „Eine Welt“ über die Belastung des Flusses: „Es sind hauptsächlich die ungeklärten Rückstände der Färbereien und Bleichereien, die den Fluss zur Kloake machen: Chloride, Peroxide, Amine, Säuren, Laugen und Schwermetalle. Stinkend plätschert der Nyel in der Trockenzeit durch das Stadtgebiet: Plastikmüll, Jauche, Kot, Waschmittel und die in der üblen Mixtur wühlenden Schweine komplettieren ein nahezu apokalyptisch anmutendes Bild.“
Die meisten Länder im Süden der Welt stehen durch die Kombination der Belastungen des Wassers durch häusliche Abwässer, Landwirtschaft und Industrie vor dramatischen Problemen. Ein Beispiel ist der Rio Acelhuate in El Salvador, der durch die Hauptstadt San Salvador führt. Der Umweltexperte Marco Antonio Gonzalez stellt fest: „Eigentlich ist das gar kein Fluss mehr. Das ist ein Cocktail aus Gift und Abfall.“ Rund 1.600 Tonnen unbehandelter Fäkalien sowie Haus- und Industrieabfälle landen tagtäglich im Fluss. Der Rio Acelhuate mündet in den Rio Lempa, und auf dessen Wasser sind zwei Millionen Menschen in El Salvador angewiesen. Die meisten Proben dieses „Trinkwassers“ durch das Gesundheitsministerium erhalten das Prädikat: „Für den menschlichen Genuss nicht zu empfehlen.“ Aber die Menschen sind trotzdem gezwungen, dieses Wasser zu trinken. Dies ist kein Einzelfall. 90 Prozent der Gewässer in Mittelamerika sind biologisch tot. In zwanzig Jahren werden alle Wasservorräte El Salvadors erschöpft oder vergiftet sein, wenn nichts Entscheidendes zur Reinigung der Abwässer geschieht.
Wie sich die Belastungen addieren und verheerende Folgen zeigen, dafür ist der Rio Bogotá in Kolumbien ein erschreckendes Beispiel. Schon am Oberlauf, wenige Kilometer unterhalb der Quelle, leiten fast 200 Gerbereien ihr ungeklärtes Abwasser in den Rio Bogotá, was eine starke Belastung des Flusses mit giftigem Chrom und Sulfiden bedeutet. Wenn der Fluss den Großraum Bogota erreicht, kommen Abwässer der 8-Millionen-Stadt sowie das hinzu, was Papierfabriken, Schlachthöfe und andere Gewerbebetriebe in den Fluss leiten. Besonders negativ wirken sich die Abwässer aus der Schnittblumenproduktion aus, denn sie sind mit hochgiftigen Herbiziden und Pestiziden belastet. Trotz all dieser Belastungen wird der Rio Bogotá zur Trinkwassergewinnung und zur Bewässerung der Gemüsefelder im Umkreis von Bogota genutzt.
Die gesundheitlichen Risiken sind sehr hoch, aber trotzdem geschieht kaum etwas gegen die Missstände. Zwar gibt es am Fluss einige wenige Klärwerke, aber sie arbeiten nur sehr unzureichend, und der größte Teil des Abwassers von Bogota fließt weiterhin ungeklärt in den Fluss. 15 Kubikmeter pro Sekunde sind es, wurde berechnet, eine tödliche Menge für jeden Fluss, aber besonders für den ohnehin schon stark belasteten Rio Bogotá. Es gibt Pläne für ein großes Klärwerk für die kolumbianische Hauptstadt, aber bisher ist es bei diesen Plänen geblieben. So haben die Tequendama Fälle unterhalb von Bogotá weiterhin die zweifelhafte Ehre, als größte Abwässer-Fälle der Welt zu gelten. Es ist leicht, die kolumbianischen Politiker und Industriellen für diese Probleme verantwortlich zu machen. Aber es ist zu berücksichtigen, dass die unzureichenden internationalen Hilfen angesichts der Verarmung Kolumbiens, die Produkte westlicher Chemieunternehmen und die Blumenproduktion für Europa und Nordamerika ganz entscheidend dazu beitragen, dass das Land mit der Misere konfrontiert ist.
Ein letztes Problem soll noch erwähnt werden: Weltweit werden mehrere Hunderttausend Tonnen Alt-Pestizide in offenen Schuppen oder Lagerhäusern gelagert und gefährden Boden und Wasser. Allein in Afrika lagern nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO etwa 50.000 Tonnen nicht mehr verwendbare Pestizide in 53 Ländern. Die giftige Ware wurde aus Übersee importiert, der Einsatz ist aber inzwischen verboten worden oder die Stoffe sind so alt, dass sie nicht mehr verwendet werden können. Zum Teil ist auch nicht mehr bekannt, welchem Zweck sie ursprünglich dienen sollten. Auch in Asien, Lateinamerika und Osteuropa gibt es solche Altlasten. Allein in der Ukraine lagern etwa 20.000 Tonnen nicht mehr verwendungsfähiger Pestizide. Die FAO ruft die Regierungen der wohlhabenden Länder zu finanzieller Unterstützung auf, damit diese Pestizide umweltschonend vernichtet werden können.
Wenn Abwasser nützlich wird
Es wird geschätzt, dass in Entwicklungsländern etwa ein Zehntel der landwirtschaftlichen Produkte mit Hilfe von Abwasser erzeugt wird. Im schlechteren Fall ist es schlicht die Wasserknappheit, die Bauernfamilien zwingt, das Abwasser des benachbarten Ortes zu nutzen, um ihre Pflanzen zu bewässern. Angesichts des zunehmenden Anteils von Chemikalien im Abwasser, aber auch wegen der in diesem Wasser enthaltenen Krankheitserreger ist es nicht ungefährlich, auf diese Weise Landwirtschaft zu betreiben. Auch gefährdet eine hohe Salzkonzentration die Ertragskraft der Böden.
Es gibt aber auch viele gelungene Vorhaben, wo Abwasser gereinigt wird und dann die Wassernot der Landwirtschaft reduziert. Dass das Abwasser oft Nitrate und Phosphate enthält, ermöglicht sogar eine Düngung der Felder. Das wasserarme Jordanien bereitet das Abwasser systematisch für landwirtschaftliche Zwecke auf und konnte so bereits im Jahre 2000 etwa neun Prozent seines gesamten Wasserverbrauchs auf diesem Wege decken. Auch Industriebetriebe in aller Welt nutzen in zunehmendem Maße gereinigtes Abwasser für Aufgaben, für die keine Trinkwasserqualität erforderlich ist. In westlichen Städten wie Tokio und Los Angeles wird gereinigtes Abwasser dafür eingesetzt, Rasenflächen und Parks zu wässern.
Ein deutsches Unternehmen, das sich systematisch um das Abwasserrecycling in ärmeren Ländern bemüht, ist die Hans Huber AG, die 2006 den Deutschen Umweltpreis erhielt. Die Auszeichnung begründete Fritz Brickwedde, der Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt so: „Als visionärer Unternehmer sucht Hans G. Huber nach technischen Lösungen der dringenden weltweiten Wasserproblematik. Er sieht Abwasser als Wertstoff und engagiert sich für die Wiederverwertung des wertvollen Gutes.“ Mit den Anlagen des Unternehmens lässt sich nicht nur Abwasser dezentral so gründlich reinigen, dass es in der Landwirtschaft genutzt werden kann, sondern es wird zum Beispiel auch Dünger gewonnen.
Auch in privaten Haushalten wird zunehmend Brauchwasser erneut genutzt. Es gibt inzwischen ausgereifte kleine Kläranlagen, die in jeden Keller passen, weil sie nur die Größe eines dreitürigen Kleiderschranks haben. Zunächst wird das Grauwasser aus Dusche, Badewanne und Waschbecken gefiltert, dann übernehmen Bakterien die Reinigung. Am Ende wird das Wasser mit UV-Licht entkeimt und erreicht nun eine Qualität, die den Standards der EU-Badegewässer-Richtlinie entspricht. Als Trinkwasser darf das wiedergewonnene Wasser dennoch nicht verwendet werden, aber zum Beispiel für die Toilettenspülung ist es problemlos einzusetzen. Die Trinkwasser- und Abwassermenge kann so drastisch reduziert werden, was die Umwelt schont und ebenso den Geldbeutel. Die Kosten für ein solches hauseigenes Klärwerk betragen etwa 5.000 Euro, und mancherorts gibt es staatliche Zuschüsse für den Einbau.
Ein großer Beitrag zur Lösung der Abwasserprobleme besteht bei uns – wie in anderen Teilen der Welt – darin, die Schadstoffeinleitung in das Abwasser zu reduzieren. Das beginnt bei der Auswahl der Waschmittel und endet noch nicht bei Resten von Heimwerkerchemikalien, die nicht in die Kanalisation gehören. Auch Gewerbebetriebe haben viele Möglichkeiten, die Abwassermenge zu vermindern und die Einleitung schwer oder gar nicht abbaubarer Stoffe in die Kanalisation zu vermeiden. So kann der Umgang mit dem Abwasser zu einer umweltpolitischen Erfolgsgeschichte werden.
Dafür abschließend noch ein Beispiel. Eine Darmstädter Großwäscherei hat früher jedes Jahr 40.000 Kubikmeter Schmutzwasser in die Kanalisation geleitet. Diese Menge ist jetzt um 90 Prozent vermindert worden, und das wieder aufbereitete Wasser kann bedenkenlos erneut in der Wäscherei verwendet werden. Das Verfahren dafür wurde in Zusammenarbeit mit der Gesamthochschule Karlsruhe entwickelt und findet auch in Ländern wie Israel und Zypern Interesse. Für die Großwäscherei hat die Anlage den großen Vorteil, auch angesichts steigender Wasser- und Abwasserpreise konkurrenzfähig zu bleiben – und gleichzeitig einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.