Die alltäglichen Sorgen und die Sorge um das Leben

 

Die Anfrage an unser Verhalten im wirtschaftlichen Leben wird durch die Verse, die dem Gleichnis vom reichen Kornbauern folgen, nur noch größer. In Vers 22 heißt es: „Deshalb sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt.“ So etwas kann Jesus nur empfehlen, weil er das Ende dieser Welt und das Kommen des Reiches Gottes nahe herbeigekommen sieht, lautet ein häufig gehörter Kommentar zu diesem Bibelvers. Andere sehen darin ein Zeichen für die Naivität Jesu gegenüber den Notwendigkeiten des Lebens.

 

Beide Auffassungen sind falsch. In verschiedenen Berichten der Evangelien ist davon die Rede, wie Jesus sich um Essen und Trinken kümmert, angefangen bei der Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit zu Kana. Zu erwähnen sind zum Beispiel auch die Berichte über die Speisung der Fünftausend. Auch hat Jesus seine Anhänger nicht dazu aufgefordert, sich um die Dinge des Alltags nicht mehr zu kümmern, weil sie nur noch auf das Reich Gottes warten müssten. Vielmehr nahm er die Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens ernst, wollte aber verhindern, dass die Menschen all ihr Tun und Trachten darauf richteten, dafür Vorsorge zu tragen, auch in Zukunft zu essen und zu trinken zu haben.

 

Wirtschaften im Vertrauen auf den Schöpfer 

 

Nicht das Anhäufen von Gütern erhält das Leben, so die Botschaft Jesu, sondern das Vertrauen auf Gott und ein Leben im Horizont des Reiches Gottes, ein Leben, das sich an den Werten und Zielen dieses Reiches orientiert und deshalb zu Geschwisterlichkeit, Gerechtigkeit und Solidarität in dieser Welt veranlasst. Franz Segbers schreibt in diesem Zusammenhang: „Das Wirtschaften aus Vertrauen auf den Schöpfer orientiert sich am Reichtum der Schöpfung. Von dieser Voraussetzung aus wird die Frage gestellt nach der gerechten Verteilung dessen, was vorhanden ist. Die Sorglosigkeit steht für das Paradigma der Ökonomie des Vertrauens. Die Sorge soll sich deswegen nicht auf die Knappheit beziehen, sondern auf die Gerechtigkeit. Das Reich Gottes hebt die Sorgen auf, die mit der Ökonomie der Knappheit gegeben sind. Erwartet wird die Befriedigung der Lebensbedürfnisse vom Reich Gottes, in dem die Ökonomie nach den Weisungen der Tora zum Zuge kommt.“[1]

 

Dies ist nun kein theoretischer Entwurf für die Zukunft der Welt, sondern Jesus und seine Jüngerinnen und Jünger haben vorgelebt, was es heißt, auf das Reich Gottes hinzuleben. Sie haben auf Gott vertraut und deshalb die Sorge, was morgen oder übermorgen sein wird, nicht überhand nehmen lassen, sondern den Tag gelebt im Wissen, von einer solidarischen Gemeinschaft getragen zu werden und ein gemeinsames Ziel vor Augen zu haben.[2]

 

Ein Leben auf das Reich Gottes hin

 

Der Theologe und Rundfunkjournalist Eike Christian Hirsch hat sich damit beschäftigt, wie immer wieder versucht worden, diese Botschaft zu relativieren, und kommt zu dem Ergebnis: „Und wenn wir diese Vision schon nicht für uns selbst wahrmachen können, dann sollten wir uns doch nicht betäuben und unabänderlich in dem einrichten, was Wohlstand und Sicherheit uns bietet. Die Sehnsucht danach, das Leben in aller Gelassenheit nehmen zu können, wie immer es kommt und gegeben wird, müssen wir nicht unterdrücken – auch wenn sich uns die Verheißung nicht mehr erfüllt.“[3]

 

Das Leben auf das Reich Gottes hin befreit von vielen Sorgen, aber ist trotzdem kein einfacher Weg. „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Matthäus 6,33) Die kenianische Theologin Nyambura Njoroge, Leiterin der Frauenarbeit des Reformierten Weltbundes, hat diesen Vers angesichts der Armut in ihrer Heimat und in der Welt so interpretiert: „Die Suche nach dem Reich Gottes bedeutet nämlich nicht nur Gottesdienst zu feiern, zur Kirche zu gehen oder freundlich zu reden. Nein. Es bedeutet, dem Beispiel Jesu nachzuleben und ihm zu folgen, täglich ... Die Herausforderung an uns Mittelschicht-Christen in Afrika liegt darin, in wirklicher Solidarität mit den Armen zu leben. Wir sind dazu aufgerufen, unsere Werte zu überprüfen, Werte, die andere leiden und vorzeitig sterben lassen. Dies ist wahrhaftig keine leichte Aufgabe, denn wir wissen, sie hat Jesus sein Leben gekostet, und viele andere sind im Kampf und bei der Suche nach dem Reich Gottes auf Erden ums Leben gekommen. Wir müssen den Fußspuren der Armen folgen auf unserer Suche nach dem Reich Gottes.“[4]

 

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[1] Segbers: Die Hausordnung der Tora – Biblische Impulse für eine theologische Wirtschaftsethik, Luzern 2000, S. 352

[2] Vgl. hierzu u. a. Luise Schottroff: Sozialgeschichtliche Bibelauslegung zu Matthäus 6,25-34, in: Junge Kirche, 8/91, S. 492ff.

[3] Eike Christan Hirsch: Mein Wort in Gottes Ohr, Hamburg 1995, S. 306

[4] Njambura Njoroge: Die Bergpredigt und die Sorgen Afrikas, in: Junge Kirche, 8/93, S. 404ff.