Gott und die Götter der Globalisierung

 

 

Die Globalisierung stellt für die Kirchen und die einzelnen Christinnen und Christen eine große Herausforderung dar, auch wenn inzwischen seltener über diese Globalisierung gesprochen wird. Als Folge der vorherrschenden Globalisierung wachsen ökonomische Unterschiede innerhalb der einzelnen Länder und zwischen ihnen. Verknüpft damit wachsen die sozialen Spannungen, was man gegenwärtig zum Beispiel in den USA, aber auch bei uns beobachten kann. Die Schaffung eines globalen Marktes hat zugleich zur Folge, dass viele Menschen und ganze Völker ihre kulturelle Identität gefährdet sehen.

 

In den christlichen Kirchen und den anderen Religionsgemeinschaften treffen die "Gewinner" und die "Verlierer" der gegenwärtigen Globalisierung zusammen und hoffen auf religiöse Stärkung und Wegweisung in einem sich rasch verändernden lokalen, nationalen und globalen Umfeld. Den Pastoren, Imanen und Priestern fällt es nicht leicht, den Gläubigen religiöse Orientierung in einer Welt zu geben, deren Dynamik und Konflikte sie selbst oft auch nicht genauer verstehen als die Gläubigen. Traditionen und heilige Schriften stammen aus gänzlich anderen Zeiten, und es gilt nun, sie heute so auszulegen, dass die Menschen dem Glauben der Vorfahren treu bleiben, zugleich ihren Platz im sogenannten "global village" finden und zu einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umgestaltung beitragen, die dem Wohle aller dient.

 

In den Beiträgen dieses Bereichs der Website geht es primär um die christlichen Kirchen sowie die einzelnen Christinnen und Christen. Wie können sie die bestehende Globalisierung analysieren und aus ihrem Glauben heraus daran mitwirken, Alternativen zu entwickeln und zu verwirklichen. Die Texte beruhen auf einer Studie, die ich für das "Evangelische Missionswerk in Deutschland" verfasst habe.

 

Eine kritische Analyse der vorherrschenden Globalisierung und die Suche nach Alternativen

 

„Born to Shop“ lautet in den USA eine Aufschrift auf T-Shirts[1] – geboren, um einzukaufen. Vielleicht ist das so etwas wie das Credo einer ökonomischen Bewegung, die längst auch viele andere Lebensbereiche beeinflusst und verändert. Manche können das Wort Globalisierung schon nicht mehr hören, und doch hat das, worum es dabei geht, für die Menschheit und die ganze Schöpfung existenzielle Bedeutung. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Beiträge steht nicht die Frage, was Globalisierung ist, denn darüber gibt es mittlerweile Hunderte von Büchern und Tausende von Artikeln.[2]

 

Es soll darum gehen, wie biblische Botschaft und christlicher Glaube helfen können, die vorherrschende Globalisierung kritisch zu analysieren und eine andere Form der Globalisierung zu entwickeln und zu fördern. Der Ausgangs- und Bezugspunkt für diese Studie ist die Überzeugung, dass die befreiende Botschaft des Evangeliums eine klare Orientierung für das Engagement für eine menschlichere Globalisierung geben kann.

 

Die vorherrschende Globalisierung ist nicht nur ein Konzept der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch ein Glaubensgebäude. Das Credo der Religion des Marktes hat Heiner Hank, Leiter der Wirtschaftssanktion der Frankfurter Allgemeine, so formuliert: „Heute ist die Integration des Welthandels ... viel weiter fortgeschritten. Das nützt letztlich allen, vor allem aber den Konsumenten. Die internationale Arbeitsteilung bringt für alle Vorteile: Offene Märkte zwingen jedes Land, Güter zu importieren, die anderswo besser und billiger produziert werden, und sich auf die Herstellung und den Export der eigenen konkurrenzfähigen Waren zu konzentrieren. Wenn jeder das macht, was er am besten kann, gewinnen alle ... Auch wenn die Globalisierungsgegner es nicht glauben: Der Wettbewerb belohnt die Guten und bestraft die Bösen. Er bietet deshalb Anreize für alle, dem ‚Club des ökonomischen Wohlverhaltens’ beizutreten. Noch steiler gesprochen: Der Wettbewerb selbst ist das moralische Gewissen des Kapitalismus. Wer ihn behindert und Offenheit einschränkt, handelt unmoralisch.“[3] 

 

Dem setzt der „Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche“ entgegen: „Wir fragen uns: Ist das Glaubensbekenntnis der Marktwirtschaft nicht schon an die Stelle der lenkenden Hand Gottes getreten? Die Konkurrenz von wirtschaftlichen Kräften soll angeblich die ‚unsichtbare Hand’ des Marktes sein, der den ungezügelten Eigennutz auf wundersame Weise in das Optimum für den Gemeinnutz kehrt. Der Markt, sofern er denn frei ist, wird in seiner Allmacht angebetet, er wird zum Götzen. Das Versprechen von Reichtum für jeden ist die Heilsbotschaft. Der Traum vom menschengemachten grenzenlosen Fortschritt ist die Vision des ewigen Lebens und der paradiesischen Vorstellungen. An die Stelle von dem gottesfürchtigen Menschen tritt der ‚homo oecumenicus’. Nicht die Liebe ist seine treibende Kraft, sondern der Eigennutz.“[4] 

 

Die Religion und der totale Markt

 

Bereits 1921 hat Walter Benjamin einem Aufsatz den Titel „Kapitalismus als Religion“ gegeben, und 2002 hat der Schriftsteller Carl Amery den Gegensatz zwischen dem Glauben an einen Gott und den Glauben an die Kräfte des Marktes in dem Buch „Global Exit – Die Kirchen und der Totale Markt“ herausgearbeitet. Er kommt zum Ergebnis: „Am unmissverständlichsten ... ist wohl von der Religion des Totalen Marktes zu sprechen.“[5] 

 

Er präzisiert dies dann so: „Der Totale Markt erfüllt alle Kriterien einer Religion. Sein Dogmenbestand ist transzendenzarm und banal; seine oberste Maxime lautet: Alles hat seinen Preis, und wenn etwas noch keinen hat, wird er ihm angeheftet ... In der historischen Raum-Zeit nimmt der Totale Markt die Funktion einer Reichsreligion wahr, die strukturell ziemlich genau der des spätrömischen Kaiserkults entspricht. Damals wie heute galt und gilt die Formel TINA: There is no alternative.“[6] 

 

Carl Amery ist überzeugt, dass die Kirchen sich dieser neuen Religion entgegenstellen müssen, die den ganzen Globus bedroht. Besondere Aufgaben sieht er dabei für die Mission der Kirche. Es stehen sich seiner Auffassung nach zwei Glaubenssysteme gegenüber, knapp gesagt der Gott der Bibel und die Götter der Globalisierung.

 

Auch manche Verfechter des freien Marktes und der neoliberalen Globalisierung berufen sich auf den Gott der Bibel, aber kann dieser Gott für ein System in Anspruch genommen werden, das dazu führt, dass es immer mehr Verlierer gibt, während die Gewinner immer reicher werden? Der biblische Gott, der den Armen das Reich Gottes verheißen hat, lässt sich nicht so „umbiegen“, dass er das Streben der Reichen nach immer mehr Geld absegnet – so jedenfalls die Auffassung der Christinnen und Christen in aller Welt, die sich für die Opfer der Globalisierung engagieren oder selbst zu diesen Opfern gehören.

 

Die Zukunft der Menschheit und des Globus wird ganz entscheidend davon bestimmt werden, ob sich Gott oder die Götter der Globalisierung in dieser Auseinandersetzung durchsetzen. Die Bibel bietet eine klare Orientierung in dieser Auseinandersetzung, dass haben vor allem Christinnen und Christen im Süden der Welt neu entdeckt. Für sie gewinnt die Bibel im Kampf für ein anderes Leben, für eine andere Globalisierung ganz neue Aktualität, so für Leng Lubang, Pfarrerin der Vereinigten Kirche Christi auf den Philippinen:

 

„Als Mittel der Machterhaltung ist Globalisierung allerdings nichts Neues in dieser Welt. Die Bibel ist voll mit Bildern von solchen Systemen. Auch das Buch Amos zeigt eine Gesellschaft zu einer Zeit, in der die Reichen immer reicher werden, auf Kosten der Armen, die nicht nur vernachlässigt werden, sondern auch benutzt werden, um Reichtum und Geld für die Reichen zu erwirtschaften. Und Gott spricht in seinem Zorn zu Amos und zeigt ihm das Ende der Unterdrückung. Das soll unseren Kirchen Hoffnung und Herausforderung zugleich sein.“[7] 

 

Entgegen der weitverbreiteten These, dass mit der Bergpredigt keine Politik zu machen sei, möchte ich zeigen, wie die Bergpredigt und die ganze Bibel zu einem Leitfaden für eine andere Politik und ein anderes persönliches Verhalten im Wirtschafts- und Gesellschaftsleben werden können. Dass die Bibel eine unbequeme Botschaft enthält, haben schon die Mächtigen in biblischen Zeiten und in den letzten zwei Jahrtausenden erkannt und immer wieder versucht, diese Botschaft zu domestizieren. Das blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Theologie und das Leben der Kirchen.[8] 

 

Mit Bibel und Tageszeitung

 

Es waren vor allem Theologinnen und Theologen aus Afrika und Asien, Lateinamerika und der Karibik, dem Mittleren Osten und Ozeaniens, die die auf Befreiung ausgerichtete Grundlinie der biblischen Botschaft in Erinnerung gerufen haben. Gottes „Option für die Armen“ wird von Kirchen in aller Welt wieder stärker wahr- und ernst genommen. Aber wie der reiche Jüngling schrecken viele Christinnen und Christen vor den Konsequenzen der Nachfolge zurück. Das ist nur zu verständlich, aber es muss uns auch bewusst sein, dass das Reich Gottes in dieser Welt bereits beginnt und nicht durch menschliches Handeln vollendet wird. Also doch Kompromisse? Meine Grundthese lautet, dass wir uns davor hüten müssen, schon beider Analyse von Missständen die Schere der inneren Zensur anzusetzen und uns zu besorgt fragen, ob diese Analyse denn auf breite Zustimmung oder einen Konsens stoßen kann. 

 

Mit der Bibel in der einen und den Tageszeitungen und Wirtschaftsanalysen in der anderen Hand stehen wir vor der Aufgabe, die Probleme unserer Welt präzise zu erkennen und öffentlich zu benennen. Das sind wir den Opfern schuldig, aber auch den Tätern, denn die Aufforderung zur Umkehr ist nur dann gerechtfertigt und glaubwürdig, wenn sie auf einer präzisen Analyse von Missständen und deren Ursachen beruht. Hier ist an den reichen Mann in der Geschichte vom armen Lazarus zu erinnern, der, als er seine Verfehlungen gegenüber den Armen erkennt, darum fleht, seine Brüder zu warnen, damit sie nicht weiterhin die gleichen Missetaten begehen und das Heil verlieren.

 

Bei der Analyse der Probleme der Globalisierung müssen wir uns davor hüten, die Komplexität der ökonomischen und politischen Zusammenhänge zu übersehen und alle Nöte dieser Welt unter dem Stichwort Globalisierung zu subsumieren. Ebenso gilt, dass sich der Protest, den Christinnen und Christen gegen das Unrecht erheben, das mit der gegenwärtigen Form der Globalisierung verbunden ist, eine biblische Grundlage hast. Er speist sich aus dem Glauben an den Gott, der für die Armen Partei ergreift. Dies ist aber kein exklusiver Protest. Menschen können aus ganz unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen heraus ein „Nein“ zur jetzigen Globalisierung sagen. Mit ihnen gemeinsam können wir auf die Suche nach Alternativen gehen.

 

Diese Alternativen sind um so wichtiger, als die Befürworter der jetzigen Globalisierung den Eindruck erwecken, es gebe keine Alternative. Tatsächlich gibt es Hunderte von Ansätzen für solche Alternativen, die aber in den Gesamtzusammenhang einer anderen Globalisierung gestellt werden müssen, um nicht als isolierte Einzelaktivitäten zu erscheinen und zum Teil belächelt zu werden.

 

Bei einem Konzept einer anderen Globalisierung und deren Umsetzung gilt es, die globale Krise in ihrer ganzen Gefährlichkeit und Unmenschlichkeit ernst zu nehmen und trotzdem den Wert kleiner Zeichen und Initiativen zu erkennen und zu schätzen. Gefordert ist der ernsthafte Wille, etwas zu ändern, auch sich selbst, und die Bereitschaft, immer neue Versuche zu machen, der Vision eines anderen Lebens einen kleinen Schritt näherzukommen. Christinnen und Christen können dies aus der Hoffnung heraus tun, dass sie den Kampf für eine bessere Welt nicht allein führen müssen. Auch Niederlagen sind so leichter zu verkraften. Es gilt, die Hoffnung auf das andere Leben nicht zu verlieren, das mitten in dieser Welt beginnt, oft in kaum wahrnehmbaren Zeichen, und das Zukunft hat, ja Zukunft ist. 

 

Ermutigung zu einer anderen Globalisierung 

 

Ich möchte dazu ermutigen, sich an dem Engagement für eine andere Globalisierung, ein anderes Leben zu beteiligen. In den Kirchen können wir uns gegenseitig stärken, die Hoffnung auf dieses andere Leben nicht aufzugeben und gemeinsame Schritte zu gehen, damit diese neue Leben hier und heute beginnt. Christinnen und Christen sind Teil der einen Kirche, die alle kulturellen, sozialen, ökonomischen, politischen und theologischen Unterschiede hintanstellt. Wir bekennen im Apostolischen Glaubensbekenntnis den Glauben an die eine heilige christliche Kirche. Wenn das kein Lippenbekenntnis sein soll, dann ist die Gemeinschaft aller Kirchen und aller ihrer Mitglieder in dem einen Leib Christi schon heute eine Tatsache und nötigt dazu, gemeinsam Zeugnis abzulegen von Christus, der befreit und eint.

 

Die christliche Familie ist geprägt von einer großen Vielfalt an Traditionen und kirchlichen Strukturen. Das ist ihre Schwäche, denn es kann das gemeinsame Zeugnis in der Welt behindern. Es ist aber auch ihre Stärke, weil es den ganzen Reichtum der von Gott geschaffenen Welt widerspiegelt. Wo viele wirtschaftlich Mächtige den einen großen Weltmarkt mit den gleichen Produkten bis ins „letzte Dorf“ schaffen, gewinnt die christliche Bewegung ihre Stärke aus ihrer Vielfalt und aus der Dankbarkeit für diese Vielfalt. Sie kann zu einem Beispiel einer gelebten anderen Globalisierung werden, wenn es gelingt, gemeinsam und jede und jeder an ihrem und seinem Ort für ein anderes Leben einzutreten.

 

Am Anfang der hier veröffentlichten Ausführungen steht die Frage, wie die Bibel eine Orientierung auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung bieten kann. Die Beschäftigung damit, wie die Israeliten sich mit den globalen Mächten ihrer Zeit auseinandergesetzt haben, erweist sich als äußerst hilfreich, wenn es darum geht, heute zwischen Gott und Mammon zu unterscheiden und sich dem Mammon entgegenzustellen.

 

So heißt es im gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland aus dem Jahre 1997: „Wenn die Christen die biblische Botschaft mit den aktuellen Herausforderungen zusammen lesen, gewinnen sie nicht nur ethische Orientierungen für das eigene Handeln; es ergeben sich vielmehr auch ethische Einsichten, die sich auf den institutionellen Rahmen der Gesellschaft beziehen. Dazu gehört vor allem der Begriff der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist ein Schlüsselbegriff der biblischen Überlieferung, der alles umschließt, was eine heile Existenz des Menschen ausmacht. Er steht in der Bibel in Verbindung mit Frieden, Freiheit, Erlösung, Gnade, Heil.“[9] 

 

Allerdings stecken die Probleme im Detail, denn unser Wissen über die Konfrontation eines kleinen Volkes mit den globalen Mächten der Antike ist lückenhaft und dies gerade in zentralen Punkten wie dem Exodus aus Ägypten. Wie wenig wir davon wissen, was wirklich vor Jahrtausenden geschah, soll mit einer Aussage des katholischen Alttestamentlers Christian Frevel angedeutet werden: „Das Alte Testament ist kein Geschichtsbuch, sondern ein Geschichtenbuch.“[10] 

 

Deshalb stellen die nachfolgenden Texte einen ersten Versuch dar, die Bibel unter dem Blickwinkel zu lesen, wie die eigene Identität, das eigene Leben und der eigene Glaube gegen globale Mächte verteidigt werden können, die die Welt unter ihre Kontrolle bringen wollen.[11] Immerhin ist diese Perspektive so vielversprechend, dass es lohnt, sie weiter zu verfolgen. Im Rahmen dieser Ausarbeitungen war es nicht möglich, auch das Verhältnis der Kirchen zu den globalen Mächten ihrer Zeit systematisch zu verfolgen, aber die bisher vorliegenden Arbeiten zu einzelnen Themen wie zum Verhältnis der Kirchen zur Eroberung Lateinamerikas durch die globalen Mächte Spanien und Portugal lassen erwarten, dass neue Erkenntnisse zur Kirchengeschichte gewonnen werden können, wenn diese Geschichte unter dem Blickwinkel des Verhältnisses zu den jeweils herrschenden „global players“ betrachtet werden.

 

Der Prozess der heutigen ökonomischen Globalisierung hat die theologische Reflexion in den Kirchen auf vielfältige Weise beeinflusst. Die Ergebnisse sind so widersprüchlich wie die Globalisierung selbst. Sie werden von mir in knapper Form zusammengefasst. Besonders die neuen theologischen Entwürfe aus Afrika, Asien und Lateinamerika, darunter die feministischen Theologien, können den Blick dafür schärfen, wie stark die Glaubensüberzeugungen der Verfechter des ungehinderten freien Marktes zu einer ernsthaften Konkurrenz zum christlichen Glauben geworden sind.

 

Eine Wirtschaft, die den Menschen dient

 

Wie Paulus müssen heutige Christinnen und Christen sich auf dem Markt der Auseinandersetzung stellen und ihre Überzeugungen verfechten. Es geht dabei nicht nur um die Frage, ob es sinnvoll ist, Waren und Ideen auf dem lokalen und globalen Markt zu tauschen, sondern auch um die Frage, ob das Marktgeschehen sich selbst überlassen wird oder ob konsequent eingegriffen wird, wenn Menschen „unter die Räder“ einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung geraten. Dass die Wirtschaft den Menschen dienen soll und nicht die Menschen der Wirtschaft klingt banal, wird jedoch täglich millionenfach ignoriert. Aus dem Glauben heraus lässt sich eine Ideologie kritisieren, die dem Markt vertraut und nicht dem Gott, der auf der Seite der Armen und Ausgegrenzten steht.

 

Erster Schritt auf dem Weg zu einer Globalisierung, die Leben fördert, ist eine gründliche Analyse der bestehenden globalen Wirtschaftsbeziehungen und ihrer Auswirkungen auf alle anderen Lebensbereiche. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Veränderung ist die Empörung über die Missstände, die durch dieses System verursacht werden. Ein Vorbild hierfür sind die Propheten des Alten Testaments, die sich mit den Missständen ihrer Zeit nicht abfinden wollten und konnten und ihren Zorn nicht für sich behielten.

 

Wir dürfen uns nicht mit der Tatsache abfinden, dass inmitten einer Welt des Überflusses jedes Jahr viele Millionen Menschen verhungern, ebenso wenig damit, dass viele Arbeiterinnen und Arbeiter zu Hungerlöhnen jene Waren produzieren, die wir als „Schnäppchen“ angeboten bekommen. Aus der Empörung über soziale Missstände erwächst Protest. Der internationale Protest gegen all das, was unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefasst wird, ist in den letzten Jahren breiter geworden und verunsichert die politisch und wirtschaftlich Mächtigen. In den letzten beiden Jahrzehnten ist das Bewusstsein dafür gewachsen, dass hemmungsloses Wachstum und hemmungsloser Konsum die Umwelt und das Klima so negativ beeinflussen, dass der Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten bedroht ist.

 

Diejenigen, die gegen die vorherrschende Globalisierung protestieren, sehen sich immer wieder mit der Frage konfrontiert, welche Alternativen sie anzubieten haben, und die Suche nach einer anderen Globalisierung macht international große Fortschritte. Christinnen und Christen können aus ihrem Glauben heraus Beiträge zu dieser Debatte leisten und eine ihrer Stärken ist dabei, dass sie als weltweite Bewegung die Erfahrungen und Einsichten von Menschen in unterschiedlichen Regionen und Kulturen in die Debatte einbringen können.

 

Wie können die einzelnen Christinnen und Christen, ihre Kirchen und die ökumenische Bewegung zu einer Globalisierung beitragen, die den Menschen dient und Leben auf dem Globus bewahrt und fördert? Eine andere Globalisierung ist möglich, und sie ermöglicht das, was uns in der biblischen Verheißung als ein Leben in Fülle zugesagt ist.

 

© Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[1] Anita Desai: Fasting, Feasting, London 1999, S. 183

[2] Vgl. hierzu u. a.: Global leben, Christ sein weltweit, herausgegeben vom Evangelischen Missionswerk in Deutschland, Breklumer Verlag, Breklum 2001

[3] Rainer Hank: Globalisierung ist gut für die Armen – Und die Reichen müssen keine Angst haben, Arnoldshainer Akzente, Nachrichten aus der Evangelischen Akademie, 2/2001, S. 1f.

[4] Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche: Globalisierung der Landwirtschaft aus christlicher Sicht – eine Streitschrift, Kirche im ländlichen Raum, Sonderheft 2000, S. 18f.

[5] Carl Amery: Global Exit – Die Kirchen und der Totale Markt, München 2002, S. 17

[6] Ebenda. S. 82

[7] Leng Lubang: Auf wessen Kosten?, in: In die Welt für die Welt 2/2002, S. 7

[8] Vgl. Franz Segbers: Die Hausordnung der Tora – Biblische Impulse für eine theologische Wirtschaftsethik, Luzern 2000, S. 36ff.

[9] Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“, Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, Hannover und Bonn 1997, S. 45

[10] Zitiert nach: Publik-Forum, 20/2001, S. 48

[11] Die Auseinandersetzung mit den globalen Mächten in den Zeiten des Alten Testaments, S. 14-51

 

 

© Frank Kürschner-Pelkmann