REEMTSMA PARK
Der Reemtsma Park gehört zu den kaum bekannten Parks in den Elbvororte. Das liegt wahrscheinlich an seiner Lage etwas aabseits von der Elbchaussee und ebenso daran, dass nur ein kleiner Teil zwei Hektar öffentlich zugänglich istsind. Ein Besuch lohnt trotzdem, vor allem, wenn man die Geschichte des Parks kennt.
Im Jahr 1929 erwarb Philipp Fürchtegott Reemtsma das nach einem Zukauf 76.000 qm große Parkgelände. Sechs Jahre vorher hatte der Reemtsma-Konzern seinen Sitz nach Hamburg-Bahrenfeld verlegt und dort eine große Zigarettenfabrik eröffnet. Anfang der 1930er Jahre ließ der Zigarettenfabrikant sich eine fast 2.000 qm große Villa auf seinem weitläufigen Besitz an der Parkstraße 51 bauen. Dass Reemtsma mitten in der Weltwirtschaftskrise ein solch teures Vorhaben verwirklichen konnte, ist ein ZIndiz dafür, wie reich die Familie war. Es ist weltweit eine der größten, wenn nicht die größte Villa, die in dieser Zeit in der Architekturrichtung der Moderne gebaut wurden. Auch für eine Schwimmhalle und einen Turnsaal war Platz in der Villa, in der die Eltern Reemtsma mit zwei Kindern lebten.
Das Haus sollte wohnlich sein und zugleich geschäftlichen Repräsentationszwecken dienen, ohne protzig zu wirken. Die Fassaden der avantgardistischen Villa wurden mit blassgrünen und weißgrauen Keramikplatten verkleidet.
Zu dem Ensemble gehörten auch ein Wirtschaftsgebäude mit Wohnungen für Beschäftigte, ein Pferdestall, ein Wasserturm und ein Pförtnerhaus. Architekt von Villa und Nebengebäuden war Martin Elsaesser, der vor allem durch zahlreiche Kirchenbauten in Erinnerung geblieben ist. Seine modernen Architekturvorstellungen stießen bei den Nazis auf Ablehnung. Er erhielt von 1933 bis 1945 keine Aufträge für neue Häuser in Deutschland. 1939 ist er mit dem Umbau der Reemtsma-Villa beauftragt worden.
Den Reemtsma Park gestaltete der Gartenarchitekt Leberecht Migge, der damals als der bedeutendste deutsche Gartenreformer galt. Ulrich Höhns schreibt in seinem Buch „moderne im park“ über die Reemtsma-Parkanlage: „Migge realisierte hier den Traum des Gärtners der Moderne, der landschaftliche Weite, Schönheit, funktionale Gliederung und Nützlichkeit ganz im Sinne des Erbauers und der weitgehenden Selbstversorgung der Bewohner miteinander verbinden konnte. In diesem künstlichen Grünkosmos von den Ausmaßen eines Gartenbaubetriebes gab es auch eine Reitbahn, einen Badeteich mit Kleinbauten, Gewächshäuser, Blumen- und Gemüsebeete im Gewerbeformat, nach Südwesten dann den parkartig geweiteten Landschaftsraum mit großen Einzelbäumen, der sich im angrenzenden Jenischpark fortsetzte.“ In der Nähe der Villa und im Übergang zu den weiteren Gebäuden nahm Migge deren streng geometrischen Formen auf und schuf so eine Verbindung zu den von Elsaesser entworfenen Bauten.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten arrangierte sich Philipp Fürchtegott Reemtsma mit den Nazis und besonders mit Göring. Die Villa ließ die Familie Reemtsma Ende der 1930er Jahre entsprechend den damals vorherrschenden Architekturvorstellungen verändern, wobei aber viel von der ursprünglichen Architektur erhalten blieb. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erhielt der Reemtsma-Konzern den lukrativen Auftrag, die deutschen Truppen mit großen Mengen Zigaretten zu versorgen.
Nach dem Ende des Krieges beschlagnahmte das britische Militär die Reemtsma-Villa und machte sie zu einem Offizierskasino. 1952 zogen die Offiziere aus und die Familie Reemtsma erhielt ihr Anwesen zurück. Sie nutzte ihre Villa aber nicht erneut für Wohnzwecke, sondern machte sie zu ihrem Firmensitz. Damit verbunden war eine grundlegende Umgestaltung der Gartenanlagen um die Gebäude. So bestand nun z. B. kein Bedarf mehr an einem Obst- und Gemüsegarten. Diese Gärten und die Gewächshäuser verschwanden vollständig.
Da das Grundstück laut Bebauungsplan eigentlich nur für Wohnzwecke genutzt werden durfte, stimmte Reemtsma zu, einen kleineren Teil des Anwesens in einen öffentlich zugänglichen Park umzugestalten. Im Gegenzug erteilten die Behörden die Genehmigung, den Wohn- in Büroraum umzuwandeln. Dies war die Geburtsstätte des öffentlich zugänglichen Reemtsma-Parkbereichs. Aus dem Schwimmteich, der in diesem öffentlichen Teil des Parks lag, machte man im Rahmen der Renaturierungsmaßnahmen einen großen, ganz im Stil der Zeit nierenförmigen Gartenteich.
Der Firmensitz wurde der privat genutzte Teil des Geländes 2003 um ein Verwaltungsgebäude erweitert. Der Neubau ist für diesen Zweck nur kurze Zeit genutzt worden, denn noch im gleichen Jahr verkaufte die Eigentümerfamilie die Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH an die britische Imperial Tobacco Group. Die neuen Eigentümer beschlossen, den Sitz der Verwaltung an der Parkstraße aufzugeben. Die Milliardärsfamilie Herz übernahm das Anwesen und ließ die bisherigen Bürogebäude in Wohnhäusergebäude umwandeln.
Die Stadt stellte die schon länger bestehenden Gebäude unter Denkmalschutz, und. die neuen Eigentümer und ihr Architekt Helmut Riemann mussten die Villa und die älteren Verwaltungsgebäude denkmalgerecht in Wohnhäuser umgestalten. Die bisherigen Verwaltungsgebäude wurden innen stark verändert, aber außen ist noch erkennbar, welchem Zweck sie ursprünglich gedient haben. Auch bei der Villa wurden vor allem im Inneren Umbauten vorgenommen.
Der in Teilen verwilderte Park ist den Bedürfnissen einer reichen Klientel von Mietern angepasst worden. Auf individuelle Gärten hat man verzichtet und so die Fehler bei der Parzellierung anderer Parks in den Elbvororten vermieden. Auch mit der veränderten Bebauung und Nutzung blieb der Parkcharakter erhalten. Der alte Baumbestand sowie die Wohngebäude liegen inmitten großer Rasen- und Wiesenflächen. Gut erkennbar ist ein neu entstandenes Fußwegenetz die Häuser. Fahrzeuge sollen den Park lediglich zu Anlieferungen nutzen. Für die Bewohner-Autos wurde eine Tiefgarage angelegt.
Im Jahre 2007 erfolgten der Abriss des Verwaltungsgebäudes von 2001 und der Bau von fünf neuen Wohngebäuden. Drei davon haben rote Ziegelfassaden und zwei Fassaden aus hellem Kalkstein. 2009 war das Gesamtensemble des Wohnparks fertiggestellt. Es wurden etwa 60 Wohnungen in den denkmalgeschützten Altbauten und den Neubauten zur Vermietung angeboten. Die Wohnungen sind sehr beliebt bei Hamburgerinnen und Hamburgern, die es sich leisten können, ein teures Zuhause zu mieten. Die Parkbesucher können einen Blick vom öffentlich zugänglichen Teil des Anwesens auf das Privatgelände werfen. Die Villa, die drei umgebauten Verwaltungsgebäude und die fünf Neubauten des Wohnparks sind gut zu identifizieren, wenn man von der Holzwiete aus den Park betritt und den öffentlichen Weg bis zur Parkstraße entlanggeht.
Im Februar 2018 erschien im „Hamburger Abendblatt“ ein Beitrag über einen Besuch in einer 340 Quadratmeter großen Wohnung in der früheren Reemtsma-Villa. Überschrift: „Ein Schmuckstück der Extraklasse im Hamburger Reemtsma Park“. Die Journalistin Katja Deutsch machte diese Erfahrung: „Nur unter den strengen Augen des Hausmeisters gelangt man in den weitläufigen umzäunten Privatpark …“