Cover des Buches "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte"
Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte, 1016 Seiten ISBN 978-3-384-05017-5 38 Euro

1536 – Caecilia von Oldessem, aus ihrem Kloster Harvestehude wird das Stift St. Johannis

Die „Lügenbräute Gottes“ nannte der Reformator Johannes Bugenhagen die Nonnen, die sich der Reformation und der Auflösung ihres Klosters in Hamburg widersetzten. Er veröffentlichte sogar eine Schrift gegen die Nonnen und Beginen. Bugenhagen war 1529 damit beschäftigt, eine neue Kirchenordnung für Hamburg zu erarbeiten, und stieß dabei auf den Widerstand der Nonnen des Klosters Harvestehude und ihrer streitbaren Äbtissin Caecilia von Oldessem gegen die geplante Auflösung ihres Klosters.

Caecilia von Oldessem, deren Geburtsjahr nicht bekannt ist, war die selbstbewusste Tochter des Kaufmanns Cord von Oldessem, der mit Tuchen handelte, und seiner Frau Anna. Caecilia und eine ihrer Schwestern wurden etwa 1485 in das Kloster Harvestehude gegeben. Dieses Kloster im heutigen Stadtteil Harvestehude besaß eine große Zahl von städtischen Grundstücken sowie Ländereien in den Nachbargemeinden. Es war so reich, dass es der Stadt mehrmals Kredite gewähren konnte.

Die Äbtissin stellt sich dem Reformator Bugenhagen entgegen

1526 wurde Caecila von Oldessem zur Äbtissin des Klosters gewählt, dessen Nonnen wie sie aus besser gestellten Handwerker- und Kaufmannsfamilien stammten. Das Leben als Nonne war den meisten von ihnen von ihren Familien verordnet worden, und sie waren bemüht, im Kloster weiterhin einen bürgerlichen Lebensstil zu pflegen.

Bugenhagen forderte die Nonnen auf, das klösterliche Leben aufzugeben, und der Rat zahlte den Nonnen, die das taten, aus dem Vermögen des Klosters eine lebenslange Rente. Von Oldessem und viele der Nonnen verteidigten trotzdem hartnäckig das Harvestehuder Kloster als katholische Einrichtung. Die Äbtissin argumentierte gegenüber dem Rat mit einem Vers aus Psalm 76, in dem dazu aufgefordert wird, sein Gelübde zu halten. Aber das half ihr nicht. Der Rat forderte die Nonnen 1529 auf, das Kloster zu verlassen.

Zwar ignorierten die Äbtissin und die Nonnen diese Aufforderung zunächst, aber im Februar 1530 mobilisierten die Anhänger Luthers einen Mob von Bürgerinnen und Bürgern, der in das Kloster eindrang und es verwüstete. In einem zeitgenössischen Bericht ist zu lesen: „… do rucketende borger uth uns breken en dat Kloster“.

Am 10. Februar 1530 wurde auf Geheiß des Rates mit dem Abriss des Klosters begonnen. Die Nonnen mussten in einen Teil des Klosters St. Johannis umziehen, das von den franziskanischen Mönchen geräumt worden war. Es stand etwa dort, wo sich heute der Rathausmarkt befindet. Die Äbtissin und die neunzehn verbliebenen Nonnen mussten zustimmen, den lutherischen Glauben anzunehmen und zu einer Gemeinschaft von Stiftsdamen zu werden, die weiterhin in Keuschheit zu leben hatten.

Aus der Klostergemeinschaft wird eine Gemeinschaft von Stiftsdamen

Immerhin blieb dem Stift das große Vermögen des Klosters erhalten. Das St. Johanniskloster befand sich allerdings in einem sehr schlechten baulichen Zustand und Caecilia von Oldessem beschwerte sich beim Rat über die „drechliken“ Kammern. Es musste viel Geld investiert werden, um die Räumlichkeiten zu renovieren.

Die bisherige Äbtissin Caecilia von Oldessem war nun „Domina“ des Evangelischen Conventualinnenstiftes für unverheiratete Hamburger Patrizier- und Bürgertöchter. Sie war bei vielen Entscheidungen auf die Zustimmung des Rates angewiesen. Es gelang ihr aber, dem Leben de Stiftsdamen eine feste Struktur zu geben und auch – wie früher im Kloster – den Töchtern aus wohlhabenden Familien eine Schulbildung zu vermitteln. Neue Stiftsdamen mussten von ihren Verwandten eingekauft werden. Schon bei der Eintragung in das Expektantinnenbuch war eine erhebliche Zahlung fällig. Bei einem Auszug wegen Heirat ging das eingezahlte Geld in das Vermögen des Stiftes über.

Ilse Lütgens, die Anfang unseres Jahrhunderts Domina des Damenstiftes war, beschrieb 2001 gegenüber der „Welt“ das säkularisierte Kloster als „eine für damalige Zeiten äußerst fortschrittliche Einrichtung. Das Leben im Kloster war für unverheiratete Frauen die einzige Möglichkeit, sich der Willkür der patriarchalisch ge­prägten Familie zu entziehen und ein wirtschaftlich unabhängiges Leben zu führen.“

Als Caecilia von Oldessem 1542 starb, war es gelungen, das Kloster in ein reiches Wohnstift umzuwandeln und mit dem Rat um mehr Eigenständigkeit des Stiftes zu streiten. Der Lebensstandard der Bewohnerinnen hatte sich allerdings gegenüber den Klosterzeiten wesentlich verschlechtert.

Die Entstehung des Damenstiftes St. Johannis

Das änderte sich erst grundlegend, als das Stift 1837 durch einen Neubau am Klosterwall ersetzt wurde. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewannen die Grundstücke des früheren Klostergeländes in Harvestehude enorm an Wert, denn es entstand dort ein Stadtteil für wohlhabende und reiche Hamburger Familien. Das Wohnstift konnte seine Grundstücke so teuer verkaufen, dass aus den Erlösen eine Höhere Mädchenschule und ein Lehrerinnenseminar am Holzdamm (in der Nähe des Atlantic-Hotels) gebaut werden konnten, die 1923 in staatlichen Besitz übergingen.

Das Damenstift St. Johannis zog 1914 in die Heilwigstraße in Eppendorf um. Auf einem 11.000 Quadratmeter großen Grundstück an der Alster (schräg gegenüber dem Winterhuder Fährhaus) entstand ein Gebäudekomplex im englischen Landhausstil. Das Gebäude wurde von dem berühmten Architekten Fritz Schumacher entworfen. Uhrturm und Kreuzgänge erinnern an die klösterliche Vergangenheit des Evangelischen Damenstifts Kloster St. Johannis. Bürgermeister O’Swald stellte bei der Einweihung fest, dass das Kloster „alle Erwartungen an Zweckmäßigkeit und Schönheit“ übertraf. Heute leben 72 Damen in geräumigen Wohnungen im Kloster St. Johannis, wie sich das Stift in Kurzform selbst nennt. Das Wohnstift steht inzwischen unter Denkmalsschutz.

 

 

Aus: Frank Kürschner-Pelkmann: Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte

 

© Frank Kürschner-Pelkmann