Schritte zu einer anderen Globalisierung – Medien und Kommunikation

 

1 Die Werbung ist nicht nur zum Hauptfinanzier vieler Medien geworden, sondern die Werbetreibenden haben auch einen immer größeren Einfluss auf die Inhalte der Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehprogramme. Deshalb muss wieder eine klare Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt durchgesetzt werden. Damit wird zugleich sichergestellt, dass verstärkt auch die negativen Aspekte des Globalisierungsprozesses in den Massenmedien zur Sprache kommen.

 

2 Werbung hat in allen Teilen der Welt einen großen Einfluss auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, und zwar nicht nur im Blick auf ihr Kaufverhalten, sondern es werden auch Werte und Lebenseinstellungen gefördert, die im Konsum die Grundlage für Zufriedenheit und Glück sehen. Es ist notwendig, die Botschaften der Werbung zu entschlüsseln, Medienpädagogik zu betreiben und – auch im Bereich der Kirchen – neue Formen von Werbung zu entwickeln, die die Empfänger als Subjekte ernst nehmen, statt sie als Objekte der Werbebotschaften zu manipulieren. Die Kirchen stehen auch vor der Aufgabe, den religiösen Botschaften der Werbung ihre Alternative entgegenzustellen, die Vision von einem anderen Leben.

 

3 Zum kulturellen Austausch gehört die Ausstrahlung ausländischer Fernsehfilme durch nationale und regionale Fernsehsender. Es muss aber verhindert werden, dass dies ein einseitiger Prozess ist, das heißt, dass lediglich die Filme und Shows aus einigen wenigen Ländern im Rest der Welt ausgestrahlt werden. Die Alternative besteht darin, nationale Fernseh- und Filmproduktionen zu fördern und einen Austausch von Produktionen zwischen unterschiedlichen Teilen der Welt zu verstärken.

 

4 Gewalt wird immer stärker eingesetzt, um Interesse an Fernsehsendungen zu wecken und Spannung zu erzeugen. Wenn ein Kind in den USA 14 Jahre alt ist, hat es bereits 18.000 Fernseh-Tote gesehen.[1] Dass diese Produktionen rund um den Globus verbreitet werden, kann nur ein Anlass zur Besorgnis und zu Gegenmaßnahmen sein. Der globalen Macht der Fernseh-Gewalt ist in einzelnen Fällen mit Selbstverpflichtungen von Fernsehsendern zu begegnen, oft wird es aber notwendig sein, durch Bürgerproteste und Gesetze einer massenhaften Verbreitung dieser Programme zu begegnen. Gleiches gilt für gewaltverherrlichende Videofilme und PC-Spiele.

 

Wenn im Namen der Liberalisierung und einer vermeintlichen Freiheit der Medien die ungehinderte Verbreitung dieser Medienerzeugnisse rund um den Globus propagiert wird, besteht die Alternative in einer Verteidigung der Menschenwürde und einer Kultur des Friedens.

 

5 Weltweit ist ein Prozess der Konzentration der Medien in der Hand von immer weniger global agierenden Konzernen zu beobachten. Damit sind große Gefahren des Missbrauchs verbunden, nicht zuletzt dann, wenn diese Medienkonzerne eng mit autoritären Regimen zusammenarbeiten. Es ist notwendig, internationale Vereinbarungen zu treffen, um die Marktmacht einzelner Konzerne zu begrenzen, so wie dies auf nationaler Ebene und in der EU schon der Fall ist. Außerdem ist die Gefahr zu vermeiden, dass unter dem Slogan der Liberalisierung die nationalen Medien gerade kleiner und wirtschaftlich schwacher Länder der weit überlegenen Konkurrenz globaler Konzerne ausgeliefert werden. Oft ist das Ergebnis einer solchen Liberalisierung nicht mehr Wettbewerb, sondern der Aufkauf kleiner nationaler Konkurrenten durch internationale Unternehmen. Statt dessen gilt es, nationale Medien und vor allem alternative Medien zu fördern.

 

6 Es gibt Modelle, Medien-Kommunikation als öffentliche Aufgabe zu sehen und in öffentlicher Verantwortung zu betreiben. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland sind erfolgreiche Beispiele dafür. Angesichts des starken Drucks zur Privatisierung aller Wirtschafts- und Lebensbereiche ist es erforderlich, solche öffentlich verantworteten Formen der Kommunikation zu fördern und zu verteidigen. In vielen Ländern im Süden ist es notwendig, diese Medien, vor allem Radio und Fernsehen, von der staatlichen Kontrolle zu befreien. Nur so können sie eine Alternative zu kommerziell betriebenen Sendern darstellen.

 

7 Es gibt in allen Regionen der Welt zahlreiche alternative Medien, die der lokalen Bevölkerung die Möglichkeit geben, selbst zu Wort zu kommen, und die sich für Anliegen einsetzen, die sich unter den Stichworten Umwelt, Frieden und soziale Gerechtigkeit zusammenfassen lassen. Die „Radios Populares“ in Lateinamerika sind bekannte Beispiele für solche Medien. Sie verdienen verstärkte Unterstützung, damit soziale Bewegungen und Initiativen für ein alternatives Leben und Wirtschaften die Möglichkeit haben, mit Medien zusammenzuarbeiten, die ihre Ziele und Visionen teilen. Außerdem ist eine stärkere internationale Vernetzung solcher Initiativen wichtig.

 

8 Angesichts der Defizite vieler Medien, zum Beispiel die unkritische Übernahme von Pressemitteilungen anstelle eigener Recherchen, und des inhaltlichen Einflusses von Werbekunden auf die Inhalte, verdient ein alternativer Journalismus verstärkte Förderung, der sich kritisch mit sozialen und wirtschaftlichen Fehlentwicklungen auseinandersetzt. Dafür gibt es in allen Teilen der Welt bereits viele Beispiele.

 

9 Um nicht von der globalen Kommunikation abgeschnitten und damit auch wirtschaftlich an den Rand gedrängt zu werden, sind auch die Menschen im Süden der Welt auf den Anschluss an das Telefon- und Elektrizitätsnetz angewiesen. Es muss gerade in ländlichen Regionen und den Armutsvierteln der Großstädte im Süden der Welt die Unfähigkeit und oft auch Unwilligkeit der staatlichen Autoritäten und privater Unternehmen angeprangert werden, den Zugang zum Strom- und Telefonnetz zu schaffen.

 

Telefon und Strom garantieren keine wirtschaftliche Entwicklung, aber sie sind in aller Regel Grundvoraussetzungen dafür. Auch für eine eigenständige Entwicklung, die nicht auf eine totale Abhängigkeit von globalen Wirtschaftsprozessen setzt, sind Kommunikation und damit verknüpft Elektrizität erforderlich. Um eine Versorgung für alle zu erreichen, ist ein politischer Einsatz der Kirchen und anderer sozialer Akteure erforderlich.

 

10 Dank Internet und e-mails ist es heute möglich, ohne große Kosten in Verbindung zu stehen mit gleichgesinnten Gruppen und Personen in weit entfernten Teilen der Welt. Besonders die Kirchen, die durch den gemeinsamen Glauben verbunden sind, können die modernen Kommunikationsmöglichkeiten nutzen, um sich über Ländergrenzen hinweg für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen. Dadurch, dass die Kirchen in den Dörfern zu Hause sind, aber auch nationale und internationale Formen der Zusammenarbeit besitzen, sind sie wie kein anderer sozialer Akteur dazu in der Lage und dazu berufen, die modernen Kommunikationsinstrumente zu nutzen, die vorherrschende Globalisierung zu kritisieren und ihr überzeugende Alternativen entgegenzusetzen. Je mehr es gelingt, auch andere Religionsgemeinschaften und soziale Bewegungen in diesen Prozess einzubeziehen, desto wirksamer wird das Engagement sein.

 

11 Die Verantwortung der Kirchen reicht über die Produktion eigener Medien hinaus. Angesichts der gravierenden Auswirkungen der Medienpolitik, zum  Beispiel durch eine Liberalisierung und Öffnung des Medienbereichs für die internationale Konkurrenz, besteht die kirchliche Verantwortung darin, dazu beizutragen, dass Kommunikation ein Menschenrecht und ein gemeinsames Anliegen der ganzen Gesellschaft bleibt und dass die wichtigen Medien nicht unter die Kontrolle von ein oder zwei großen Konzernen geraten. Unabhängige Medien leisten auch einen wichtigen Beitrag, Alternativen zur vorherrschenden Globalisierung bekannt zu machen.

 

12 Aus der Bibel lässt sich lernen, wie kommuniziert werden kann, ohne zu manipulieren und zu unterdrücken, und wie aus gelingender Kommunikation ein gemeinsames Engagement für diese Welt werden kann. Deshalb lohnt es sich, intensiver zu studieren, wie eine christliche Kommunikationsarbeit gestaltet werden kann, die sich an der Bibel orientiert und deshalb zur Befreiung und zu einem neuen Leben beiträgt.

 

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Visionen und kleine Schritte – Auf dem Weg zu einer anderen Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[1] Vgl. Chris Arthur: The Globalization of Communications, Genf 1998, S. 48