Ökumenischer Rat der Kirchen zur Globalisierung

 

Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), in dem mehr als 340 Kirchen in aller Welt zusammenarbeiten, hat sich in den letzten Jahrzehnten in wachsendem Maße mit dem christlichen Engagement in Wirtschaftsfragen beschäftigt. Erste Höhepunkte waren die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966 in Genf und die Vollversammlung 1968 in Uppsala. Auch die gemeinsamen Studienprozesse mit der römisch-katholischen Kirche im Rahmen von SODEPAX und die Initiativen des CCPD-Netzwerkes wären hier zu erwähnen.[1] Dabei wurde immer stärker eine enge Verbindung von Fragen der Ökonomie und der Theologie hergestellt. Deutlich wurde dies bei der Weltmissionskonferenz in Melbourne 1980, als die Option Gottes für die Armen ins Zentrum gestellt wurde.[2]

 

Das Wort Globalisierung kam in den Berichten von Melbourne noch nicht vor, aber doch Wirtschaftsstrukturen, die später unter dem Stichwort Globalisierung gekennzeichnet worden sind: „Armut, Ungerechtigkeit und Unterdrückung werden nicht freiwillig ihren Griff um das Leben der Armen lockern. Deshalb müssen wir aktiv in den Kampf gegen diese Mächte eintreten, die die gegenwärtige Situation schaffen und aufrechterhalten. Das umfasst internationale Konzerne, Regierungen und die Kirchen selbst und ihre Missionsgesellschaften, wo sie sich an der Ausbeutung und Verarmung beteiligt haben. In wachsender Zahl werden sich jene, die die Belohnung beanspruchen, die Jesus den Verfolgten versprochen hat, oder denen die Märtyrerkrone des Sieges in der heutigen Welt zugesagt ist, sich dem Kampf gegen diese Mächte auf der Seite der Armen anschließen.“[3]

 

Gute Nachricht für die Armen

 

In den folgenden Jahren gab es im ÖRK und in den Mitgliedskirchen intensive Debatten darüber, was die „Gute Nachricht für die Armen“ heute konkret bedeutet und ob dies eine „Schlechte Nachricht für die Reichen“ ist. Diese Diskussion fand auch in den deutschen Kirchen statt, und das Ergebnis konnte nicht überraschen, denn dass das Evangelium besonders für die Reichen eine Aufforderung zur Umkehr ist, lässt sich allein schon aus den Gleichnissen Jesu unzweideutig erkennen.

 

Die Debatte über Armut und Reichtum litt aber in den deutschen Kirchen und in der weltweiten Ökumene in den 80er Jahren darunter, dass eine intensive Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen und dem Verhältnis von Wirtschaft und Glauben entweder gar nicht stattfand oder auf kleine Gruppen beschränkt blieb.[4] Von daher kann es auch nicht überraschen, dass die internationale Globalisierungsdebatte nicht von Kirchen oder kirchlichen Kreisen angestoßen wurde und dass es eine Weile dauerte, bis substanzielle Beiträge aus Kirchen und ökumenischen Zusammenschlüssen in diese Diskussion einflossen.

 

Kritik an der vorherrschenden Globalisierung und die Suche nach Alternativen

 

Für den Ökumenischen Rat der Kirchen wurde die Vollversammlung in Harare/Zimbabwe im Dezember 1998 zu einem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit der vorherrschenden Globalisierung. Im Vorfeld wurden verschiedene Papiere erarbeitet und diskutiert und es gab Gruppen von Delegierten, die dafür sorgten, dass das Thema Globalisierung in Harare intensiv diskutiert und eindeutige Beschlüsse gefasst wurden. Wichtige Anstöße für diese Beschlüsse gingen vom Afrika-Plenum der Vollversammlung aus, bei dem die Leiden der Menschen anschaulich wurden, die unter globalen Unrechtsstrukturen und lokalen Unrechtsregimen leben.

 

In der Konferenzerklärung zum Thema „Im Zeitalter der Globalisierung: Machtkonzentration und Verschuldung“ wird gleich in einem der ersten Sätze festgestellt: „Die Vision hinter der Globalisierung ist eine Vision, die im Wettbewerb mit der Vision der oikumene, der Einheit der Menschheit und der ganzen bewohnten Erde steht.“[5] In dem ÖRK-Dokument wird ausführlich auf die negativen Auswirkungen der Globalisierung eingegangen und es heißt dann: „Wir sind uns bewusst, dass diese schnell voranschreitende Globalisierung potenziell positive Aspekte mit sich bringt.“[6]

 

Es wird in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeiten neuer Technologien eingegangen, eine detaillierte Auseinandersetzung damit, dass es in verschiedenen Teilen der Welt eine große Zahl von „Gewinnern“ des Globalisierungsprozesses gibt, unterbleibt aber. Nun hat die Betrachtung der Globalisierung aus der Perspektive der „Verlierer“ jede Berechtigung, aber erst die Beschäftigung mit denen, die real von diesen Prozessen profitieren, ergibt ein Gesamtbild, und vor allem wird dadurch sichtbar, dass diejenigen, die von der Globalisierung profitieren, einen festen Platz in den Kirchen haben, ja, dass viele Kirchen selbst durch Geldanlagen von diesen Wirtschaftsprozessen kräftig profitieren. Seit Harare sind diese Probleme in der ökumenischen Bewegung differenzierter betrachtet worden. Ziel kann es allerdings nicht sein, die Globalisierung nun „ausgewogen“ zu bewerten. Es geht vielmehr darum, diesen Prozess so genau wie möglich zu analysieren und präzise zu erkennen, wer in welcher Weise davon profitiert und wer warum zum Opfer wird und welche Konsequenzen dies hat.

 

Zu den Stärken des Textes der ÖRK-Vollversammlung gehört, dass nicht nur soziale und ökonomische Prozesse im Blick sind, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der neoliberalen Ideologie stattfindet: „Die wirtschaftliche Globalisierung basiert auf der neoliberalen Ideologie. Das Credo des freien Marktes ist die feste Überzeugung, dass durch die Konkurrenz von wirtschaftlichen Kräften und Absichten eine ‚unsichtbare Hand’ das bestmögliche Ergebnis herbeiführt, wenn jedes Individuum nur auf seinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil bedacht ist ... Als Folge daraus verlieren viele Menschen ihre kulturelle Identität und leugnen ihre politische und ethische Verantwortung.“[7]

 

Daraus zieht der ÖRK die Konsequenz: „Die Globalisierung stellt eine seelsorgerliche, ethische, theologische und geistliche Herausforderung für die Kirchen und die ökumenische Bewegung im besonderen dar ... Die Logik der Globalisierung muss durch ein alternatives Lebenskonzept der Gemeinschaft in Vielfalt in Frage gestellt werden.“[8]

 

Unter den Empfehlungen der Vollversammlung zum Thema Globalisierung sind besonders wichtig: die Suche nach Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschaftssystem, die Aufforderung, kohärenter und umfassender auf die Herausforderung der Globalisierung zu reagieren, die Zusammenarbeit mit Initiativen für ein neues Finanzsystem, die Überprüfung des Umgangs der Kirchen mit Land, Arbeitskräften, Arbeitslosigkeit und Kapital sowie die Forderung nach einer wirtschaftlichen Alphabetisierung.[9]

 

Im Rückblick lässt sich vielleicht sagen, dass weniger die Debatte und Texte zur Globalisierung bei der Vollversammlung in Harare selbst wegweisend waren, sondern dass es viel wichtiger war, dass der ÖRK nun mit Billigung seiner Vollversammlung die Fragen der Globalisierung zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht hat.

 

Konrad Raiser: Die Ökumene als andere Globalisierung

 

ÖRK-Generalsekretär Konrad Raiser hat in zahlreichen Vorträgen wesentlich dazu beigetragen, die Debatten in den Mitgliedskirchen voranzubringen, nicht zuletzt in den deutschen Kirchen. Ein Beispiel dafür ist sein Referat vor der Synode der Nordelbischen Kirche in Lübeck im September 2000, die unter dem Thema „Ökumene – die andere Globalisierung“ stand. In seinem Hauptreferat sagte Konrad Raiser unter anderem: „Die Ökumene als andere Globalisierung kann sich nicht der Gleichschaltung und der erzwungenen Gleichzeitigkeit des globalen Systems und der Konsumkultur anpassen, die zur Verdrängung der unterschiedlichen Geschichten, Kulturen und Traditionen führen. Sie nimmt diese Vielfalt als Ausdruck der Lebensfähigkeit menschlicher Gemeinschaften ernst, erkennt damit aber zugleich die Möglichkeit von Konflikten, von Brüchen und von wechselseitigen Verletzungen an ebenso wie die Chance von Öffnungen und Bereicherungen in der Begegnung von Kulturen und Geschichten.“[10]

 

Der ÖRK hat mittlerweile eine ganze Reihe von Büchern und Broschüren zu Fragen der Globalisierung veröffentlicht.[11] Außerdem wurden bisher mehrere größere internationale Konferenzen zu Globalisierungsfragen durchgeführt, auf die hier kurz eingegangen werden soll.[12]

 

Im November 1999 fand in Bangkok ein Symposium zum Thema „Wirtschaftliche Globalisierung und ihre Konsequenzen in Asien“ statt, an der über 60 Persönlichkeiten aus verschiedenen Regionen der Welt teilnahmen. Mitveranstalter waren der Reformierte Weltbund, die Christliche Konferenz von Asien, die Kirche Christi in Thailand und das Asiatische Kulturforum für Entwicklung. Als Fallbeispiel wurde Thailand ausgewählt, und damit war vorgegeben, dass die Konsequenzen der asiatischen Wirtschaftskrise auf die Gesellschaft im Mittelpunkt der Analyse standen. Prawate Khid Arn, der thailändische Direktor der Christlichen Konferenz von Asien für Entwicklungsfragen, stellt über sein Heimatland fest: „Der Tiger ist zu einer Katze reduziert worden.“ In seinem und in anderen Beiträgen wurde deutlich, dass es vor allem die armen Thailänderinnen und Thailänder waren, die den Preis dafür zahlen mussten. Binnen zwei Jahren erhöhte sich die Zahl der Armen von 7 auf 12 Millionen Menschen, und dafür wurde beim Symposium auch die vom Internationalen Währungsfonds verordnete Finanzpolitik der Regierung verantwortlich gemacht, die vor allem zu einer Reduzierung der Staatsausgaben führte. Die staatlichen Ausgaben für den Gesundheitsbereich wurden um 20 Prozent und die Zuschüsse für die Schulspeisungen auf ein Viertel vermindert. Aus Indonesien und anderen von der Krise betroffenen asiatischen Ländern wurde von ähnlichen Reduzierungen der staatlichen Sozialausgaben berichtet.[13]

 

Viel Interesse fanden während des Symposiums die Ausführungen des zum Christentum konvertierten buddhistischen Mönches Santikarro Bhikku. Er erläuterte, das Christentum habe gelehrt, „die Welt zu meistern“, und dies sei eine Haltung, die die Globalisierung und den Konsumismus gefördert habe. „Mittlerweile sind andere Religionen dabei, sich diesen Vorstellungen anzupassen“, fügte er hinzu und verwies auf den Buddhismus, dessen eigentliches Ziel es doch sei, ein „Ende des Leidens“ durch die „Freiheit von der Selbstsucht“ zu erreichen. Inzwischen seien aber viele der buddhistischen Mönche in Thailand durch materiellen Besitz „korrumpiert“ worden.

 

Der frühere Mönch stellt „einen Paradigmenwechsel in der Welt fest, in der viele Menschen immer reicher werden, aber immer weniger glücklich sind“. Dies sei die Zeit, dass die Religionsgemeinschaften sich einmischten und für ihre vergessenen Werte einstehen, die Habgier und Selbstsucht verurteilen. Es gehe um die Option für die Armen. „Auf keinen Fall dürfen die Religionsgemeinschaften sich auf der Seite der Reichen wiederfinden.“[14]

 

In einer „Botschaft an die Kirchen im Norden“ schrieben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums in Bangkok unter anderem: „Was ist mit unserem gemeinsamen Glauben an Gott, an Christus und an die eine, weltweite Kirche geschehen? Was ist mit der Lehre von der christlichen Dienstgemeinschaft und der christlichen Solidarität gegenüber unseren leidenden Nachbarn geschehen? Wir sind davon überzeugt, dass die Zeit dafür gekommen ist, zu der fundamentalen und reinen Lehre des Evangeliums zurückzukehren. Es ist für uns alle an der Zeit, eine Entscheidung zu treffen: Gott oder Mammon, der eine echte Gott oder der Götze Reichtum. Wir wissen, dass einige Kirchen im Norden in diesem Zusammenhang sehr aktiv sind; und wir fühlen eine starke Solidarität mit ihren Aktionen. Aber die momentane Situation lässt uns alle gemeinsam aufstehen und kämpfen: Wir fordern konkrete Handlungen der Solidarität, um das massive Leiden in unseren Nationen, im Norden wie im Süden, zu lindern. Wir fordern wichtige Handlungen Eurerseits, um Eure Regierungen und andere Institutionen anzusprechen, die das derzeitige Globalisierungsprogramm gestalten und vollziehen. Wir fordern eine Auseinandersetzung mit dem derzeitigen wirtschaftlichen System und seinen Folgen für uns, im Lichte unseres gemeinsamen Glaubens an Jesus Christus, den Erlöser, der uns gezeigt hat, wie man als Mitglied von Gottes Familie füreinander sorgt und miteinander teilt. Wirtschaftliche Ungerechtigkeit ist eine fundamentale Verletzung unseres gemeinsamen Glaubens. Wir rufen deshalb alle dazu auf, uns in unserem Bekennen zu folgen, dass das ökonomische System eine Sache des Glaubens ist.“[15]

 

Die Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus in den Kirchen in Mittel- und Osteuropa

 

Im Juni 2001 fand in Budapest eine Konsultation zum Thema „Globalisierung in Mittel- und Osteuropa – Umgang mit den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen“ statt, die vom ÖRK, der Konferenz Europäischer Kirchen sowie dem Reformierten Weltbund und seinem Europa-Ausschuss veranstaltet wurde. Diese Konsultation stand unter dem Eindruck der großen Verarmung in vielen mittel- und osteuropäischen Gesellschaften seit 1989. Lebten damals 14 Millionen Menschen von weniger als umgerechnet vier Dollar am Tag, so hatte sich diese Zahl Mitte der 90er Jahre auf 147 Millionen Menschen erhöht. Nach diesen Erfahrungen kann es nicht überraschen, dass die Frage nach Alternativen zur neoliberalen Globalisierung im Mittelpunkt der Debatten in Budapest stand.[16]

 

In der Botschaft der Konferenz werden im ersten Teil die Folgen der Globalisierung in den Ländern Mittel- und Osteuropas dargestellt. Dabei ist unter anderem von der neoliberalen Schocktherapie, der sinkenden Rolle des Staates und der Auflösung der sozialstaatlichen Strukturen und ihren Konsequenzen die Rede. Es heißt in dem Text: „Die ideologische Betonung der Privatisierung um jeden Preis hat die bestehende Infrastruktur unterminiert.“

 

Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die neoliberale Ideologie auch tiefe spirituelle Implikationen hat. Als ein Weg zur Überwindung dieser Probleme wird die Stärkung lokaler Wirtschaftsaktivitäten angesehen, ebenso die Förderung lokaler und regionaler demokratischer politischer Strukturen. Auch die Kirchen werden aufgefordert, diesen Prozess der „Lokalisierung“ zu fördern. Die Kirchen in Mittel- und Osteuropa werden gebeten, verstärkt dazu beizutragen, die Öffentlichkeit über den Prozess der Globalisierung und seine Konsequenzen aufzuklären. Die Kirchen im Westen werden aufgerufen, den zerstörerischen Kräften der ökonomischen Globalisierung zu widerstehen und sich für weltweite soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Außerdem sollten sie einen einfachen Lebensstil propagieren und sich Individualismus und Konsumismus entgegenstellen.[17]

 

Diese wenigen Stichworte mögen andeuten, welche intensive und spannende Diskussion zur Globalisierung in den Kirchen Mittel- und Osteuropas stattfindet. Nicht zuletzt angesichts der verheerenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen der Öffnung der Region für globale Mächte sind auch aus den orthodoxen Kirchen kritische Stimmen zur Globalisierung zu hören, etwa von Anastasios, dem Erzbischof von Tirana und ganz Albanien, der betont, dass „die ökonomische Globalisierung zur Ausbeutung vieler führt“. Er betonte sogar, dass die „attraktiven Idole von Geld, Komfort, Lust und Macht manchmal gefährlicher sind als eine religiöse Verfolgung“.[18]

 

Pazifische Positionen zur Globalisierung

 

„Die Insel der Hoffnung – eine Alternative zur ökonomischen Globalisierung“, unter dieser Thematik kamen im August 2000 Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen aus über dreißig Ländern in aller Welt in Nandi/Fidschi zusammen. Eingeladen hatten der Ökumenische Rat der Kirchen und die Pazifische Kirchenkonferenz. Die Formulierung „Insel der Hoffnung“ geht auf den Titel einer Publikation der Pazifischen Kirchenkonferenz zurück, in der es heißt: „Spiritualität, Familienleben, traditionelle Wirtschaft, kulturelle Werte, Sorge füreinander und gegenseitiger Respekt sind Bestandteile des Konzeptes der Insel der Hoffnung, das Beziehungen ins Zentrum stellt, die Qualität des Lebens feiert und Menschen und die Schöpfung höher bewertet als die Produktion von Dingen. Die Insel der Hoffnung ist eine Alternative zum Projekt der ökonomischen Globalisierung, welche eine Beherrschung durch ein ungerechtes Wirtschaftssystem nach sich zieht.“[19]

 

Bei der Konsultation in Nandi wurde an diese Vision angeknüpft, ohne die Schattenseiten der pazifischen Kulturen zu übersehen. Im Bericht des Treffens steht hierzu: „Wir sagen nicht, dass die traditionellen Werte der pazifischen Gesellschaften identisch mit dem Reich Gottes sind, wie es von Jesus verkündet wurde. Es ist uns sehr bewusst, dass auch negative Kräfte am Werke waren und dass die Menschen in den pazifischen Gesellschaften nicht immer entsprechend der traditionellen Ideale gelebt haben. Aber wenn man das Beste der lebendigen Traditionen des Pazifik zusammenfügt, bieten sie wertvolle Alternativen zu den zerstörerischen Wegen, die mit der Globalisierung in Verbindung gebracht werden.“[20]

 

Die Konsultation befasste sich mit den Auswirkungen der Globalisierung in verschiedenen Regionen der Welt sowie mit der Ideologie der Globalisierung. In diesem Zusammenhang wird im Bericht festgestellt: „Das Projekt der wirtschaftlichen Globalisierung behauptet mit religiöser Inbrunst, dass Wirtschaftswachstum, freier Kapitalverkehr und die Verteilung der Ressourcen und Güter durch den Marktmechanismus dem allgemeinen Wohl dienen.

 

Aber der Markt als Instrument hat keine Moral und führt nicht automatisch zu mehr Gerechtigkeit und einer Erhöhung der Lebensqualität. Er verstärkt vielmehr bestehende Ungleichheiten und die ungleiche Verteilung von Macht. Auch führt er zu massenhaftem Ausschluss und Umweltzerstörung. Dies ist der Grund, warum Widerstand und Alternativen so unentbehrlich und dringlich sind.“[21]

 

Es wurden Erfahrungen auf der Suche nach Alternativen aus allen Regionen der Welt zusammengetragen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden aufgefordert: „Erzählt uns eure Geschichte. Aber in eurer Geschichte sollte der Kern für einen neuen Anfang, eine neue Lebensperspektive angelegt sein.“ Die Geschichten, die aus vielen Regionen der Welt erzählt wurden, waren dann sehr ähnlich, ein Zeichen dafür, wie sich die globalen Probleme überall auf ähnliche Weise zeigen.[22]

 

Das ermöglicht und nötigt zur Entwicklung gemeinsamer Strategien. Bei der Konferenz wurde eine lange Liste von Vorschlägen entwickelt, wie Kirchen und ökumenische Organisationen sich in ihrem Handeln von der „Insel der Hoffnung“ inspirieren lassen können. Hier ein kleiner Auszug aus den Vorschlägen: Arbeit an einer Theologie des Wiederaufbaus, die ein ganzheitliches Verständnis des Lebens und die Menschenwürde fördert und Vertrauen aufbaut; junge Leute sollten die Möglichkeit erhalten, die Auswirkungen der Globalisierung zu studieren, damit sie ihren Glauben, ihre Werte und Träume festigen und in die Wirklichkeit umsetzen können; in der Dekade zur Überwindung der Gewalt sollten die wirtschaftlichen Ursachen der verschiedenen Formen der Gewalt angesprochen werden; traditionelle Formen des Wirtschaftens sollten neu belebt werden.[23] Die Konsultation in Nandi hat zweifellos dazu beigetragen, den kulturellen Reichtum verschiedener Regionen der Welt und besonders des pazifischen Raums stärker in die ökumenische Debatte über die Globalisierung hineinzutragen.

 

Diesen Prozess will der ÖRK mit weiteren Konsultationen in anderen Regionen der Welt fortführen.[24] So fand Mitte Juni 2002 unter dem Thema „Wirtschaften im Dienst des Lebens“ eine westeuropäische Tagung in Soesterberg, Niederlande, statt.[25]

 

 

Dieser Text ist der 2002 erschienenen Studie „Gott und die Götter der Globalisierung - Die Bibel als Orientierung für eine andere Globalisierung“ entnommen, die das Evangelische Missionswerk in Deutschland herausgegeben wurde.

 

© Evangelisches Missionswerk in Deutschland, Hamburg

 

Verfasser: Frank Kürschner-Pelkmann

 

 



[1] Einen guten Überblick bietet das Buch von Wolfram Stierle „Chancen einer ökumenischen Wirtschaftsethik, Kirche und Ökonomie vor den Herausforderungen der Globalisierung“ (Frankfurt am Main 2001).

[2] Vgl. Martin Lehmann-Habeck (Hrsg.): Dein Reich komme, Weltmissionskonferenz in Melbourne 1980, Frankfurt am Main 1980

[3] Ebenda, S. 134

[4] Vgl. dazu Klaus Schäfer, Mission im Kontext der Armut. Erinnerungen an eine ökumenische Provokation, in: ders. (Hg.), Provokation Mission. Lernerfahrungen aus der weltweiten Mission (Weltmission heute, Nr. 40), EMW Hamburg 2000, S. 104-131

[5] Klaus Wilkens (Hrsg.): Gemeinsam auf dem Weg, Offizieller Bericht der Achten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen Harare 1998, Frankfurt am Main

1999, S. 343

[6] Ebenda, S. 345

[7] Ebenda. S. 347f.

[8] Ebenda, S. 348

[9] Vgl. ebenda, S. 352ff

[10] Ökumene – die andere Globalisierung, Dokumentation zur Themensynode der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vom 21.-22. September 2000 in Lübeck, Hamburg 2001, S. 53

[11] Zu erwähnen sind hier u.a.: Rob van Drimmelen: Faith in a Global Economy, Genf 1998; Julio de Santa Ana (Hrsg.): Sustainability and Globalization, Genf 1998; sowie die Broschüren der Reihe „Echoes“ zu den Themen „The new shape of Global Capitalism“ (15/1999) und “Globalisation” (12/1997).

[12] Vgl. epd-Dokumentation „Dient Gott, nicht dem Mammon, a. a. O.

[13] Vgl. Ecumenical News International, 24.11.1999, S. 17ff.

[14] Ebenda, S. 20

[15] Wirtschaftliche Globalisierung und ihre Folgen, in: Reformierte KirchenZeitung, 3/ 2000, S. 6

[16] Vgl. ÖRK-Pressemitteilung vom 18. Juni 2001 zum Thema „Kirchen weltweit stellen wirtschaftliche Globalisierung in Frage“

[17] Beiträge der Konferenz in Budapest sind veröffentlicht in: The Ecumenical Review, Genf, 4/2001

[18] Zitiert nach: Ecumenical News International, 9.5.2001

[19] Pacific Conference of Churches: The Island of Hope – The Pacific Churches Response to Economic Globalisation, S. 1

[20] World Council of Churches, The Island of Hope – An Alternative to Economic Globalisation, unveröffentlichter Bericht vom 22.10.2001, S. 2

[21] Ebenda, S. 7

[22] Vgl. hierzu das ÖRK-Feature über die Konferenz unter der Überschrift „Gute Nachricht für die Armen?“ vom 16.8.2001

[23] Island of Hope, a. a. O., S. 9

[24] Es ist im Rahmen dieser Studie nicht möglich, auf alle ökumenischen Tagungen und Konferenzen zur Globalisierung unter Federführung oder Mitwirkung des ÖRK einzugehen. Kairos Europa (mit Sitz in Heidelberg) hat eine ganze Reihe von Dokumentationen zu ökumenischen Tagungen veröffentlicht.

[25] Vgl. Ulrich Duchrow: Neoliberales Bauchweh bei den satten Kirchen, in: Publik Forum 13/2002, S. 34